Zuzüge von Geflüchteten werden weiter zunehmen
Das Thema Flucht und die Auswirkungen auf den Landkreis Miltenberg und seine Gemeinden hat in der Sitzung des Kreistags am Montag, 23. Oktober, breiten Raum eingenommen. Die Zuzugszahlen hätten nach der Aufnahme von weit über 1000 Geflüchteten aus der Ukraine seit August 2022 dauerhaft stark zugenommen, zeigte Landrat Jens Marco Scherf anhand einer Grafik, weitere Zuweisungen von Geflüchteten durch die Regierung von Unterfranken seien zu erwarten.
Laut Landrat gibt es im Landkreis mit Stand Ende September 3.516 Geflüchtete, darunter 1.131 aus der Ukraine. Untergebracht sind die Menschen in 74 dezentralen Unterkünften, vier staatlichen Gemeinschaftsunterkünften sowie zwei Übergangswohnheimen. 1.700 Plätze sind vorhanden, von denen 1.500 belegt sind. Wöchentlich seien bislang 25 Zuzüge gekommen, aktuell sind es mindestens 30. Seit dieser Woche seien vorwiegend Geflüchtete aus der Türkei zu erwarten – politische Verfolgte sowie Kurdinnen und Kurden. Scherf legte eine Liste mit den in den Orten untergebrachten Menschen vor, aus der hervorging, dass in einigen Gemeinden bisher keine Geflüchteten untergekommen sind. Aber, so der Landrat, man sei weiter darauf angewiesen, dass sich Gebäudeeigentümer beim Sozialamt melden und Unterkünfte anbieten.
Der Freistaat habe aktuell das „Notfallkonzept 2000“ reaktiviert, wonach eine innerhalb von 72 Stunden aktivierbare Notfallkapazität von 200 Plätzen vorzuhalten sei, erklärte der Landrat. Für den Landkreis bedeute dies: bis zu 60 Plätze in der alten Schule Röllfeld, private Notunterbringungsmöglichkeiten für rund 30 Personen und eine Notunterkunft in Miltenberg für bis zu 110 Personen (vermutlich ab Januar/Februar 2024). Als ultimative Notfallreserve, habe man noch die Stadthalle Obernburg mit 50 Plätzen, die Dreifachturnhalle an der Realschule Miltenberg sowie eventuell weitere Hallen von Gemeinden und Städten und die Aufstellung von Thermozelthallen in der Hinterhand. Wichtiger Partner des Landkreises sei die Caritas, die den Aufbau von Asylhelferkreisen und die Organisation von ehrenamtlichen Sprachkursen begleite (Kontakt: a-spalek@caritas-mil.de , Telefon: 09371 978938), die Flüchtlinge berät (w-haertel@caritas-mil.de, Telefon: 09371 978945) und die über die soziale Wohnraumbörse FairMieten allen Menschen (unabhängig von ihrer Herkunft) sozialen Wohnraum vermittelt (fairmieten@caritas-mil.de).
Als Problem habe sich auch herausgestellt, dass es zwar viele Integrationskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gibt (14 Integrationskurse und drei Alphabetisierungskurse des bfz in Miltenberg, 51 Integrationskurse in Aschaffenburg), die Wartezeiten hierfür aber viel zu lange sind.
Wie der Landrat sagte, zögen nach wie vor ukrainische Geflüchtete zu. Zurzeit lebten 225 dieser Geflüchteten in dezentralen Asylunterkünften. Wer Wohnraum für Ukrainerinnen und Ukrainer sowie anerkannte Geflüchtete aus anderen Ländern habe, möge sich bitte bei der FairMieten-Börse melden.
Scherf rechnet damit, dass die Zugangszahlen weiter steigen werden. Im Anker-Zentrum in Schweinfurt rechne man monatlich mit bis zu 1.700 Personen, was für den Landkreis Miltenberg wöchentliche Zuzüge von bis zu 43 Personen entspreche. Bisher seien seit Jahresbeginn in Unterfranken grob 800 Menschen monatlich im Ankerzentrum aufgenommen worden, so der Landrat: „Dies bedeutete bisher für uns wöchentlich ca. 25 Geflüchtete neu im Landkreis aufzunehmen. Wir brauchen dringendst weiteren Wohnraum,“ bat Scherf alle Bürgerinnen und Bürger um Unterstützung.
Als Problem sah der Landrat auch die Tatsache, dass die Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung sinke. Wohnraum fehle, die Fachkräfte sowie die Ehrenamtlichen seien erschöpft, Schulen und Kindertagesstätten extrem gefordert, die medizinische Versorgung sei zunehmend ein Problem, auch gebe es viele Fehlbeleger in den Asylunterkünften, da diese keinen Wohnraum finden. Auch wenn die Flüchtlingsberatung nun um eine Stelle aufgestockt werde, sei dies immer noch viel zu wenig; aktuell kämen auf eine Vollzeitberatungsstelle 950 zu Beratende.
Nach einer längeren Diskussion stellte Landrat Jens Marco Scherf fest: „Wir brauchen auf der europäischen Ebene ein funktionierendes Instrumentarium, dass wir gezielt politisch Verfolgten und Menschen auf der Flucht helfen und gut integrieren können.“