Windkraft-Infomarkt lockt rund 200 Interessierte in die Untermainhalle
Mit rund 200 Interessierten sind am Mittwoch, 16. Oktober, weniger Menschen als von Landrat Jens Marco Scherf erwartet, der Einladung des Regionalen Planungsverbands gefolgt, um sich in der Elsenfelder Untermainhalle bei einem Infomarkt zum Thema Windenergie zu informieren.
Mit der Veranstaltung wollte der Planungsverband Interessierten vorab die Gelegenheit geben, mehr über das kurz vor Beginn stehende öffentliche Beteiligungsverfahren und das regionale
Windenergiesteuerungskonzept zu erfahren; dafür war der Austausch mit Fachakteurinnen und -akteuren zentrales Anliegen. Grundlage war der Entwurf des Planungsverbandes, der 29 mögliche Vorranggebiete für Windkraftanlagen in der Region Bayerischer Untermain ermittelt hatte. Als nächster Schritt folgt nach der zweiten öffentlichen Veranstaltung in Haibach das Beteiligungsverfahren. Hier können Stellungnahmen zur Ausweisung von Windvorrangflächen abgegeben werden. Den gesetzlich vorgeschriebenen Auslegungszeitraum habe man laut Landrat Jens Marco Scherf von einem Monat auf zwei Monate verlängert. Für ihn war der Abend ein Beleg dafür, dass man die Bürgerinnen und Bürger aktiv informieren und beteiligen wollen. Den Landkreisen, Gemeinden und Städten am Bayerischen Untermain sei zudem die kommunale Steuerung des Ausbaus der Windkraft wichtig, versicherte der Landrat. Daher suche den konstruktiv-kritischen Austausch über den Planentwurf. Alle Unterlagen würden auch unter www.regionaler-planungsverband.de im Internet bereitgestellt.
Der Landrat stellte klar, dass in Deutschland ein möglichst hoher Grad an Unabhängigkeit von Energie-Importen vorrangiges Ziel sei. „Eine sichere, verlässliche und regenerative Energieversorgung, die langfristig kostengünstig ist, tut nicht nur den Privathaushalten gut, sondern ist auch unerlässlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, zeigte sich Scherf überzeugt. In Bayern müsse nach Solarenergie, Wasserkraft- und Geothermie-Nutzung auch die Windkraft einen spürbaren und entscheidenden Beitrag zu einer sicheren und dauerhaft bezahlbaren klimaneutralen Stromversorgung leisten. Durch das Wind-an-Land-Gesetz sorge der Bund für eine deutschlandweit gerechte Verteilung der Windkraftanlagen, stellte er fest und bezeichnete den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien unter Einschluss der Windkraft für den Wirtschaftsstandort als überlebenswichtig.
Gerade der Landkreis Miltenberg mit 58 Prozent Waldfläche habe in den behutsamen Abwägungsprozess zwischen Schutz des Waldes und Sicherung der Energieversorgung gehen müssen. Weil man am Wald die Folgen des Klimawandels aufgezeigt bekomme, müssen wir durch eine moderate und eingeschränkte Nutzung von Waldflächen die Versorgung unserer Bevölkerung und unserer Wirtschaft mit regenerativ erzeugter Energie ermöglichen.“ Deshalb sei unter Beachtung strenger Kriterien die Öffnung von Waldgebieten ermöglicht worden. Viele Faktoren sei bei der Ermittlung der 29 vorgeschlagenen Vorranggebiete berücksichtigt worden, diese würden aber auch bei einer späteren Genehmigungsplanung genau untersucht. Wichtig für Scherf: „Nur durch die Ausweisung von Windvorranggebieten durch den Regionalen Planungsverband können wir den Ausbau der Windkraft kommunal steuern.“
Sebastian Büchs (Regierung von Unterfranken) stellte die Zielvorgaben für Bayern vor: So müssten in jeder Planungsregion bis Ende 2027 1,1 Prozent der Windenergieflächen ausgewiesen werden, bis Ende 2023 landesweit 1,8 Prozent. Dabei sei zu beachten, dass Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten mittlerweile möglich seien. Im aktuellen Entwurf wurden rund 3.800 Hektar – etwa 2,5 Prozent der Fläche am Untermain als „seriös beplanbar“ angesehen. Man habe bewusst mehr Flächen als nötig ermittelt, um auf Rückmeldungen im Beteiligungsverfahren reagieren zu können, erläuterte Büchs. Sollte der Bayerische Untermain 1,8 Prozent seiner Fläche ausweisen müssen, entspräche das knapp 2.660 Hektar. Nun werde im Mitte November beginnenden Beteiligungsverfahren ermittelt, wo die am besten geeigneten Flächen für Vorranggebiete liegen.
97 Prozent der geeigneten Flächen liegen in Landschaftsschutzgebieten und somit meist in Wäldern, sagte Büchs. Hier wurden durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von rund 6,4 Meter pro Sekunde ermittelt. Wirtschaftlich betreibbar wären Anlagen ab Geschwindigkeiten von 4,8 Meter pro Sekunde. Den Abstand zur nächsten Siedlung habe man auf 1.000 Meter festgelegt – 200 Meter weiter als gefordert. Raumplanerisch sei man bei der Ermittlung der Flächen mit der Raumwiderstandsanalyse vorgegangen, erklärte Sebastian Büchs.
Sollten in einer Region keine Vorrangflächen festgelegt werden, trete 2028 automatisch die sogenannte Privilegierung in Kraft: Das heißt: Auf den Suchraumflächen – etwa 18 Prozent der Region – würde rechtlich nichts gegen den Bau von Windkraftanlagen sprechen. Jeder Eigentümer könnte dann also selbst entscheiden, ob er eine Anlage baut.
Wie geht es weiter? Nach Auswertung aller Stellungnahmen in der öffentlichen Beteiligung wird der Planentwurf überarbeitet, die Verbandsversammlung wird über die Fortschreibung entscheiden, die Regierung wird den Plan danach für verbindlich erklären, eher er veröffentlicht wird und in Kraft tritt. Alle Unterlagen – Karten, Ausführungen zur Methodik, Kriterienkatalog, Datenblätter, Festlegungen – liegen in Papierform bei den Landkreisen, der Stadt Aschaffenburg und der Regierung von Unterfranken aus, aber auch online auf der Webseite der Regierung von Unterfranken und des Regionalen Planungsverbands Bayerischer Untermain, so Büchs.
In seinem Vortrag ging Dirk Vetter, Windkümmerer, auf die technischen und wirtschaftlichen Aspekte der Windenergieanlagen ein. Die sogenannten Windkümmerer, die von der bayerischen Landesagentur für Energie und Umweltschutz koordiniert werden, beraten und unterstützen die Kommunen bei ihren Vorhaben. Um die Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, brauche es gewaltige Anstrengungen, sagte Vetter. Die Stromenergie der Zukunft sah er in vielen dezentralen erneuerbaren Energieanlagen. Es brauche auch große Stromtrassen von Nord nach Süd, um Windstrom aus dem
windhöffigen Norden in die südlichen Industriezentren zu bringen.
So brauche ein aus drei Anlagen bestehender Windpark mit Anlagenhöhen von bis zu 261 Metern eine Gesamtinvestition von rund 33 Millionen Euro. Pro Jahr würde ein solcher Park rund 42 Millionen Kilowattstunden Energie erzeugen – den Strom für 10.500 Haushalte. Für die Kommune als Flächeneigentümer seien Pachterlöse von rund 567.000 Euro pro Jahr realistisch, dazu kommen rund 84.000 Euro pro Jahr als EEG-Beteiligung – also etwa 651.000 Euro pro Jahr. Dazu kommt die Gewerbesteuer von rund 2,4 Millionen Euro vom 17. bis 25. Jahr. Sollte sich eine Gemeinde an einer Windkraftanlage finanziell beteiligen, seien weitere Einnahmen möglich.
Dauerhaft brauche ein Windrad rund 0,5 Hektar Fläche – etwa zwei Drittel eines Fußballfelds. Die Windenergie sei laut Vetter damit eine sehr flächeneffiziente Energieform im Vergleich zu Flächenphotovoltaik. 90 Prozent einer Anlage ließen sich recyceln, erklärte er, darüber hinaus müssten alle Anlagen komplett zurückgebaut werden, wenn sie nicht mehr betrieben werden. Dunkelflauten – wenn Licht- und Windverhältnisse schwach sind – begegne man mit europäischen Netzverbünden, Energiespeichern und Back-up-Kraftwerken. Um die Anlagen im Wald zu errichten, werde eingriffsminimierend geplant, versicherte Vetter – etwa, indem bestehende Wege genutzt und ausgebaut werden. Jeder gerodete Baum müsse ausgeglichen werden, stellte er klar. Areale, die während des Baus
als Lager- oder Kranaufstellfläche benötigt werden, müssten ebenfalls aufgeforstet werden.
Im Anschluss an die Vorträge nutzten einige Gäste die Möglichkeit, am Mikrofon Fragen zu stellen, die von den Referenten und Landrat Jens Marco Scherf auch beantwortet wurden. Eifrig genutzt wurde danach die Möglichkeit, durch die Infostände zu gehen und weitere Fragen an die Fachleute loszuwerden. Dabei hatten auch zwei Anti-Windkraft-Bürgerinitiativen die Möglichkeit, ihre Sicht darzustellen. Moderatorin Dr. Hannah Büttner nahm die Gäste mit zu jedem Stand und ließ die Fachleute erklären, welche Informationen sie bereithalten – etwa die Windkümmerer, das Regionale Energiewerk, die
Klimaschutzmanager im Landkreis, der Bund Naturschutz mit seiner Sicht des Themas Windenergie im Wald und in der Natur, die Bayerische Forstverwaltung und das Bayernwerk mit der Darstellung des Netzausbaus. An einem Stand vermittelte die Regierung von Unterfranken anschaulich, wie die Vorrangflächen ermittelt wurden.
Der zweite Infomarkt Windkraft findet am Mittwoch, 23. Oktober, um 18 Uhr in der Haibacher Kultur- und Sporthalle statt.