Viele Ideen für mehr Schienengüterverkehr
„Anstrengend, aber kreativ und sehr informativ“ – dieses zufriedene Fazit hat Kreisbaumeister Andreas Wosnik am Ende der Ideenschmiede „Mehr Güterverkehr auf die Schiene““ am Mittwoch, 11. Januar, im Industriecenter Obernburg (ICO) gezogen. Hier tauschten sich Vertreter von Landratsamt, Kommunen, Unternehmen, Verbänden und am Thema interessierte Bürgerinnen und Bürger aus. Am Ende war man sich einig: Man sollte das Potenzial des Schienengüterverkehrs heben, dabei aber auch Straße, Wasser sowie Rad- und Fußverkehr nicht vergessen und miteinander verknüpfen.
Als Basis der Diskussion diente eine Machbarkeitsstudie der Beraterfirma railistics zum Potenzial des Schienengüterverkehrs im Landkreis Miltenberg mit der Auflistung infrastruktureller, betrieblicher und organisatorischer Maßnahmen, wie mehr Schienengüterverkehr möglich wäre. Die Studie war bereits in den Landkreisgremien vorgestellt worden, auch ist sie auf der Internetseite des Landkreises (www.landkreis-miltenberg.de/Wirtschaft,Bauen-Verkehr/Verkehr/MehrGueteraufdieSchiene.aspx) einzusehen.
Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer brachten bei der Ideenschmiede „Mehr Güterverkehr auf die Schiene“ ihre Vorschläge ein. Foto: Winfried Zang
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es im Landkreis Miltenberg mehrere interessierte Unternehmen gibt und es erhebliches Potenzial für mehr Güterverkehr auf der Schiene gibt. „Ohne dieses Interesse von Firmen wären wir nie auf die Idee gekommen, diese Studie in Auftrag zu geben“, erklärte Landrat Jens Marco Scherf, der die Bemühungen als „ganz starkes Signal“ für den Industrielandkreis Miltenberg bezeichnete.
In Zahlen ausgedrückt, könnte eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene mittelfristig 20.000 Lkw-Fahrten und 386 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, so Thomas Kocholl (railistics). Dafür wären allerdings infrastrukturelle Maßnahmen notwendig, verwies er auf den Ausbau der Gleisinfrastruktur in Form von Puffer-, Service- und Kreuzungsgleisen. Die würden sicherstellen, dass lange Züge zusammengestellt und vorübergehend abgestellt werden können, bevor sie auf die Reise gehen. Es brauche zudem Verladeanlagen, in denen Güter auf Waggons verladen werden. Da die Anlage im Bahnhof Miltenberg ausgelastet sei, könne er sich eine neue Anlage nahe der Kleinheubacher Josera direkt neben der Bahnlinie vorstellen. Als „relativ schnell realisierbar“ sah er die Errichtung einer solchen Anlage auf dem Gelände des ICO, auch der Bau eines dritten Gleises in Kleinheubach sei kurz- bis mittelfristig möglich. Als weitere langfristige Maßnahmen nannte Kocholl die Beseitigung der Reisenden-Übergänge in Klingenberg und Kleinheubach (Ersatz durch Überführungen) sowie den Bau eines zweiten Gleises in Sulzbach.
Entscheidend für den Erfolg sei aber die Elektrifizierung der Maintalbahn, stellte der Fachmann klar. Er wies weiter darauf hin, dass aufgrund des eng getakteten Personenverkehrs zwischen 5 und 21 Uhr keine zusätzlichen Trassen für den Güterverkehr zur Verfügung stünden. Deshalb sind Ausweichgleise notwendig. Im Hinblick auf organisatorische Maßnahmen schlug Kocholl die Erarbeitung einer Informationsbroschüre vor, aus der die Ansprechpartner für Fragen zum Schienengüterverkehr hervorgehen und Förderprogramme aufgezeigt werden. Auch brauche es einen Ansprechpartner für Fragen zum Schienengüterverkehr, der beispielsweise Kontakte vermittelt.
In der Diskussion wurden mehrere Vorschläge vorgebracht, wie man mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern könnte. Man müsse auf einem zweigleisigen Ausbau der Maintalbahn zwischen Miltenberg und Aschaffenburg bestehen, so eine Wortmeldung. Vorgeschlagen wurde, eine Umschlaganlage möglichst nahe am ICO zu bauen. Das sei im Masterplan des ICO bereits vorgesehen, ergänzte Andreas Schneider, Leiter der ICO-Standortentwicklung. Es sei geplant, das alte Logistikgebäude abzubauen und auf einem 460 Meter langen Gleis den Warenumschlag zu ermöglichen, so Schneider. „Wir hängen aber nicht nur an der Straße, wir arbeiten auch am Wasserweg“, erklärte Schneider, denn im nördlichen Bereich des ICO sei die Anbindung an den Main möglich. Man spüre zurzeit eine hohe Nachfrage nach Logistikflächen und Logistikdienstleistungen, stellte Schneider fest.
Eine Wortmeldung betraf den Mülltransport in das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt, der vom Lastwagen auf die Schiene verlagert werden solle. Ein Teilnehmer wünschte sich die Abbildung des Güterverkehrs auch in Richtung Wertheim/Lauda. Die Firmen in dieser Region habe man mehrfach abgefragt, aber es seien keine Rückmeldungen gekommen, antwortete Thomas Kocholl. Interesse am Schienengüterverkehr hätte auf jeden Fall die Firma Roos Vehicle Logistics in Faulbach, erklärte deren Geschäftsführer Maximilian Roos, denn viele Kunden wünschten sich den Schienentransport.
Um nicht noch viele Jahre warten zu müssen, schlug ein Teilnehmer vor, in gewissen Abständen Güterzüge aus dem Landkreis Miltenberg zusammenzustellen und an andere Bestimmungsorte zu schicken. Man könnte etwa die Firmen ansprechen und ihnen anbieten, ihre Container zum ICO zu bringen und dort einen Güterzug zu bilden. Das aber, so die Fachleute, erfordere einen höheren Koordinationsaufwand.
Zum von railistics vorgeschlagenen „Kümmerer“ sagte Andreas Schneider, dass man einen Ansprechpartner benötige, der sich mit Güterverkehr sehr gut auskennt und Interessenten den richtigen Pfad weist. „Die Unternehmen brauchen Hilfestellung“, stellte er fest. Beim ICO-Betreiber Mainsite schaffe man das, indem man mehrere Ansprechpartner aus verschiedenen Bereichen ICO-intern vernetzt. Kreisbaumeister Andreas Wosnik sah auf Nachfrage den Landkreis in der Pflicht, einen solchen Kümmerer zu finanzieren, ihn aber nicht beim Landkreis anzustellen. Die Errichtung von Umschlaganlagen sah er in privater Verantwortung, für die Bahninfrastruktur sei die Deutsche Bahn zuständig.
Zahlreiche weitere Wortmeldungen gab es in zwei Diskussionsthemen, die sich mit dem Mobilitätsverhalten der Zukunft, mit dem Konsumverhalten als positivem Beitrag zur Klimaneutralität, dem Lösen der Verkehrs-, Erreichbarkeits- und Mobilitätsprobleme und dem Beitrag der Schiene hierfür befassten. Hier wurde unter anderem gefordert, nicht mehr Straßen zu bauen und die Straße nicht weiter zu priorisieren, sondern mehr Wert auf die Nutzung der bestehenden Infrastruktur zu legen und die Verkehrsarten besser zu verknüpfen. Hoffnung setzt man in die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff für Mobilitätszwecke, auch wenn dies nicht kurzfristig realisierbar ist. Die Schiene werde zum Erfolgsmodell, wenn man sie mit den anderen Verkehrsarten kombiniert, so die Einschätzung mehrerer Diskussionsteilnehmer.
Die gesammelten Beiträge sollen in die weitere Bearbeitung der Studie einfließen, so der Kreisbaumeister.
Andreas Schneider, zuständig für die Standortentwicklung des ICO, zeigte an einer Skizze, wo eine Umschlaganlage im ICO geplant ist. Foto: Winfried Zang
Schnell füllten sich die Stellwände mit Diskussionsbeiträgen rund um das Thema Schienengüterverkehr. Foto: Winfried Zang