Sozialer Trainingskurs stärkt junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben

Sozialer Trainingskurs stärkt junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben
Max Seidel (links) leitet zwei Schülerinnen des Trainingskurses an: Eine dreht eine Videosequenz, die andere steht am Mikrofon. Foto: Winfried Zang

Wir brauchen jeden jungen Menschen: Diese Feststellung gilt nach wie vor. Doch wie erreicht man diejenigen, die ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung und ohne ausreichende Motivation und Reife zur Berufstätigkeit direkt in die sozialen Sicherungssysteme abwandern und der Gesellschaft fehlen? Mit einem sozialen Trainingskurs im Landkreis Miltenberg sollen Schülerinnen und Schüler der Berufsvorbereitungsklassen dazu motiviert werden, eine Ausbildung zu beginnen.

Es sind acht ausgewählte Schülerinnen und Schüler, die sich an diesem Dienstagmorgen in der Berufsschule Miltenberg zu einem Filmprojekt treffen. In der Woche zuvor haben bereits fast alle ein paar Zeilen zu einem eigenen Song beigesteuert und diesen aufgenommen. Jetzt - nach einem Tag Ideenfindung und Planung - ist der Videodreh an der Reihe. Ein Mädchen steht vor der Kamera, eine Mitschülerin filmt. Sie bewegt sich zum Rhythmus, zeigt ausdrucksstarke Gesten und rappt zu Zeilen, die ihre Lebensrealität widerspiegeln. Zwei Jungs an ihrer Seite komplettieren die Szene. Max Seidel und Florian Neuberger, Medienpädagogen des Unternehmens memo, ermuntern zum Mitmachen, geben Freiraum. Willst Du noch eine Aufnahme? Welches Licht hättest Du gerne? Ist das für Dich ok? Diese Herangehensweise kommt an: Die junge Frau am Mikrofon nimmt das Angebot gerne an und rappt mit Freude. Auch später, als im gesamten Schulhaus gedreht wird, setzt sich das fort.

Junge Menschen ernst nehmen und sie motivieren – das will der „Stärkenkurs“, den die Jugendsozialarbeiter Igor Kos und Uwe Ludorf verantworten, erreichen. Auf die Idee kamen die beiden, nachdem im Berufsvorbereitungsjahr der Berufsschule Miltenberg-Obernburg viele stark „benachteiligte“ Jugendliche erschienen, die hauptsächlich wegen charakterlicher Unreife, wiederholten Erfahrungen des Scheiterns, Defiziten in der Bildung und im Sozialverhalten praktisch keine Chancen haben und im Unterricht schwer erreichbar sind. Die Folge: Ihre berufliche Integration ist stark gefährdet. Viele haben wiederholt Versagenserfahrungen gemacht, einige sind psychisch belastet, andere verfügen über Reiferückstände oder können sich selbst nicht ausreichend steuern, haben ein Suchtmittelproblem, kommen aus wirtschaftlich angespannten Verhältnissen oder sozial benachteiligten Familien. Im sozialen Trainingskurs, der im Frühjahr diesen Jahres erstmals stattfand, absolvieren die 15- bis 17-Jährigen in fünf Wochen ein abwechslungsreiches Programm, dessen Kosten vom Jugendamt des Landkreises getragen werden. Im Training sollen Sozialkompetenzen, Selbstvertrauen und die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme gestärkt werden, damit die Teilnehmenden bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

„Wir sind doch alle Loser“ – an diese Worte, mit denen er schon einmal in einer Klasse empfangen wurde, kann sich Uwe Ludorf noch gut erinnern. Viele hätten ein so geringes Selbstwertgefühl, dass sie für sich keine Chancen auf ein reguläres Leben sehen, sich abgeschrieben fühlen. Diesen jungen Menschen müsse man das Gefühl vermitteln, dass sie wichtig sind, findet Igor Kos – auch wenn das ein Prozess ist, der „viel Geduld verlangt, sehr viel Geduld.“ Dabei könnte unsere Gesellschaft die jungen Menschen doch so gut gebrauchen, denn jeder hat auch Stärken. Um die zum Vorschein zu bringen, brauchen die Schülerinnen und Schüler nicht nur Motivation, sondern auch Selbstwertgefühl und den Glauben an sich selbst. Aber das, so heißt es in einer Studie auf „Focus online“, sei nicht einfach: Die junge Generation sei voller Zukunftssorgen und frage sich, ob es lohnt, sich in einem Beruf kaputt zu arbeiten.

Um niedrigschwellig an diese jungen Menschen heranzukommen, wurden mehrere junge Schülerinnen und Schüler der Berufsvorbereitungsklassen – es gibt vier solcher Klassen mit jeweils 20 Schülerinnen und Schüler – für das Projekt „Sozialer Trainingskurs“ ausgewählt. Jetzt, in der fünften und letzten Woche des Kurses, merken die beiden Jugendsozialarbeiter allmählich, „dass etwas geht“, dass sich die Mühen lohnen.

Für Kos und Ludorf ist die Vernetzung mit anderen Akteuren das A und O. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit Jugendberufsagentur, Arbeitsagentur und Jobcenter, aber auch mit anderen. Zusammen mit Gabriele Umscheid, Koordinatorin der Berufsvorbereitungsklassen, entwickelten sie ein Programm. Birgit Englert (Landratsamt) sprach über Suchtprävention, an einem Tag war die Wahl des passenden Ausbildungsplatzes ein Thema (mit den Referentinnen Kerstin Lauer von der Arbeitsagentur und Liane Da Silva Afonso vom Jobcenter). Unter dem Motto „Was passiert, wenn...“ wurde mit Akteuren der Jugendhilfe und Rechtsanwälten gezeigt, was passiert, wenn man mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Katharina Fürst und Claudia Joos (Landratsamt) sowie die Anwälte Christoph Jahrsdörfer und Jana Anders stellten dar, dass jede Aktion Folgen hat und man schlimmstenfalls dafür vor Gericht zur Verantwortung gezogen wird. Und was passieren kann, wenn man der Drogensucht anheimfällt, wurde bei einer professionellen Führung durch das Frankfurter Drogenmilieu gezeigt.

Wie man Aggressionen in Zaum halten kann, führte Fabio Ihlow (Zentrum für Selbstverteidigung und Gesundheit Miltenberg) vor. Im Kreativ-Workshop bei Laura Bleimund ging es darum, den Jugendlichen mit viel Lebendigkeit den Raum zu geben, sich selbst, ihre Stärken, Schwächen und Möglichkeiten besser kennen zu lernen. Wer will ich sein, wo will ich hin? Wie verhalte ich mich, wie wirke ich auf andere und was mache ich
mit meiner (Lebens-) Zeit? – alle diese Punkte wurden behandelt. Mehrere Betriebsmitmachtage – von Monika Oswald bei Josera-Erbacher, der OWA, der WIKA, Weiss-Tex, Scheurich, Procase und Adapt arrangiert – zeigten die Vielfalt von Ausbildungsberufen. Dabei, so die Rückmeldung aus den Betrieben, seien vor allem Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wichtig, denn nur so funktioniere der Betriebsablauf. Diese Punkte müsse man verstärkt im Blick haben, findet Uwe Ludorf, schließlich gehörten diese zu den Schlüsselkompetenzen im Berufsleben.

„Wir würden uns wünschen, dass es einen solchen Trainingskurs einmal in jedem Halbjahr gibt“, sind sich Uwe Ludorf und Igor Kos einig, man müsse aber schauen, wie man das finanzieren kann. Für die beiden Fachleute steht nämlich fest, dass sich jeder Euro, der in die Prävention und Coaching gesteckt wird, letztlich auszahlt. „Die Folgekosten, wenn junge Menschen direkt in die Sozialsysteme gehen, sind ungleich höher“, stellen sie klar.

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