Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im Sozialausschuss diskutiert
Lange und ausführlich hat sich der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales am Dienstag, 22. Oktober, mit der Ärzteversorgung im Landkreis beschäftigt. Vorausgegangen war ein Antrag der CSU-Fraktion, wonach das Landratsamt in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsregion Plus ein nachhaltiges Konzept zur Haus- und Facharztversorgung im Landkreis Miltenberg erarbeiten soll, das die Kommunen in ihren Planungen und der Umsetzung zur Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung unterstützt.
Auch wenn mehrere Redner anderer Fraktion den Sinn des Antrags nicht nachvollziehen konnten – weder der Landkreis noch die Gesundheitsregion Plus sind für die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung zuständig –, so nutzte Landrat Jens Marco Scherf die Gelegenheit, den Kreistagsmitgliedern zahlreiche Informationen zu liefern. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und der Niederlassungsfreiheit von Ärzten gibt es Handlungsmöglichkeiten für Landkreise und Gemeinden.
Oliver Legler (Kommunalbüro für ärztliche Versorgung im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) erklärte die Planungsbereiche für die vertragsärztliche Bedarfsplanung. Die Regionalbereiche würden immer größer, je spezialisierter die Ärzte werden, sagte er. Bei der hausärztlichen Versorgung beispielsweise sei der Landkreis Miltenberg in drei Bereiche unterteilt: Während Sulzbach und Niederberg zum Bereich „Aschaffenburg Umland“ gehören, wird der restliche Landkreis in die Planungsbereiche Obernburg/Elsenfeld/Erlenbach und Miltenberg untergliedert. Rein rechnerisch sei der
Bereich Obernburg mit 96 Prozent versorgt, der Bereich Miltenberg mit 89 Prozent. Zur Realität gehöre aber auch, dass rund 44 Prozent der Hausärzte 60 Jahre und älter seien und Nachfolgeregelungen anstünden. „Im Bereich Miltenberg wären noch sieben Sitze für Hausärzte frei, im Bereich Obernburg sechs“, informierte Legler. Von einer Unterversorgung – die beginnt unter 75 Prozent – könne man also formal betrachtet noch nicht reden.
Die drohe allerdings bei den Kinder- und Jugendärzten, verwies der Fachmann auf eine Versorgungsquote von rund 78 Prozent. Hier brauche man noch mindestens zwei Ärztinnen und Ärzte, stellte Landrat Jens Marco Scherf fest: „Mit Blick auf die bestehenden Praxen können wir sagen, dass in diesem Bereich Generationswechsel geglückt ist: Wir sehen viele junge Praxisinhaber. Aber zwei Planstellen, um die wir politisch intensiv gerungen haben, sind aktuell unbesetzt, und das spüren die Familien und die Praxen leider deutlich“, so der Landrat. Die 6,5 besetzten Stellen hätte man beinahe um zwei erweitern können, aber „beim Bewerbungsverfahren ist etwas schiefgelaufen.“ Aber egal, ob Haus- oder Facharzt: „Der Trend geht zur Anstellung, Praxisübernahmen sind nicht gefragt“, ergänzte ein Kreistagsmitglied, auch Teilzeitmodelle seien gefragt.
Doch wie kann man Ärztenachwuchs gewinnen? Isabella Zerritsch, Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion Plus, legte dar, dass man seit Jahren aktiv sei. So biete man seit 2020 ein Famulaturprogramm „Summer School“, an dem bislang über 40 Medizinstudierende jeweils vierwöchige Famulaturen im Landkreis in Haus- oder Kinderarztpraxen absolviert hätten. Positive Rückmeldungen hätten die Gesundheitsregion Plus darin bestärkt, dieses Programm weiter anzubieten – auch wenn die Effekte erst mit einigen Jahren Verzögerung spürbar sein würden. Bereits 2016 sei ein
Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin gegründet worden. Hier würde den Teilnehmenden eine vollständig organisierte Weiterbildung zum Facharzt für Weiterbildung im Landkreis Miltenberg angeboten. Dafür hätten sich Helios-Klinik und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte vernetzt. Die Vorteile würden gerne genutzt: feste Ansprechpartner im Verbund, starke Vernetzung vor Ort, Planungssicherheit über die Weiterbildungszeit, Teilnahme an Fortbildungen, eine attraktive Vergütung. Anfang 2025 stehe die Gründung des pädiatrischen Weiterbildungsverbunds Unterfranken an, informierte Zerritsch. Einig waren sich Landrat und Ausschussmitglieder, für eine aktivere Teilnahme der Fraktionen an den Arbeitsgruppensitzungen der Gesundheitsregion zu werben. Hier finde der Austausch statt zwischen Experten, Verwaltung und Kreistag, und genau hier könne man passgerechte Initiativen wie das Famulaturprogramm entwickeln, lud Landrat Scherf zur nächsten Arbeitsgruppensitzung im November ein.
Auch Kommunen könnten sich engagieren, ergänzte Oliver Legler, indem sie etwa strategisch steuern und Akteure vernetzen, interkommunale Strategien umsetzen, Förderprogramme nutzen, sich an der Nachfolgersuche beteiligen oder – als Ultima Ratio – Medizinische Versorgungszentren gründen wie in Amorbach. Der Freistaat habe Förderprogramme aufgelegt: die Landarztquote Bayern und eine Quote für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Bei beiden Programmen wird eine gewisse Anzahl von Studienplätzen vergeben für Studierende, die sich zu einer zehnjährigen hausärztlichen Tätigkeit in einem Bedarfsgebiet oder einer Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitswesen verpflichten. Dabei bleibe die Abiturnote außen vor, informierte Legler. Die Plätze seien heiß begehrt, die Nachfrage nach den Studienplätzen sei doppelt bis dreimal so hoch. Wer sich mit einer Praxis ansiedeln will, könne von der Landarztprämie profitieren, mit der etwa Hausärzte bis zu 60.000 Euro bei einer Niederlassung bekommen können. Die Praxis müsse danach mindestens fünf Jahre aufrechterhalten werden, sagte Legler, aber die Erfahrung habe gezeigt, dass nur wenige Ärzte danach wechseln. Gemeinden im
ländlichen Raum mit höchstens 20.000 Einwohner könnten über die Kommunalförderrichtlinie Gelder erhalten, wenn sie sich vor Ort für die ärztliche Versorgung engagieren. Unter www.lgl.bayern.de/informationsplattform gibt es Informationen zur Fördermöglichkeiten für Medizinstudierende sowie Ärztinnen und Ärzte. Dass Kommunen bereits etwas tun, wurde in mehreren Wortmeldungen deutlich – etwa durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten.