Sexuelle Gewalt: Fachkräfte müssen professionellen Blick stärken
Unter dem Motto „Hinsehen, Wahrnehmen, Handeln“ hat der Fachdienst „Frühen Hilfen“ des Jugendamtes Mitarbeiter*innen aus Kitas, Schule, Polizei, Kinderärzten und Beratungsstellen am Dienstag, 25. April, zum Fachtag „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ eingeladen. Mehr als 250 Fachkräfte aus dem Landkreis verfolgten im Bürgerzentrum Elsenfeld aufmerksam die Ausführungen der Referentin Tatjana Scheel.
Die Veranstaltung wurde von der Koordinierenden Kinderschutzstelle und der Jugendhilfeplanung des Jugendamtes organisiert. Nach der Begrüßung durch Jugendamtsleiter Rüdiger Rätz übernahm Tatjana Scheel von der Beratungsstelle für sexuelle Gewalt „Lawine“ in Hanau. In ihrem zweieinhalbstündigen Vortrag führte sie durch das nicht immer leicht erträgliche Thema.
Insbesondere Fachkräfte müssten ihren professionellen Blick stärken, so Scheel. Ein betroffenes Kind oder Jugendlicher offenbare sich in der Regel zunächst sechsmal vergeblich mit seinen Erlebnissen einem Erwachsenen, bevor es überhaupt beim siebten Mal auf Gehör trifft. Ferner zeigte die Referentin auf, welche Strategien die Täter*innen meistens nutzen und welche Risikofaktoren für Kinder und Jugendliche vorliegen. Sie bestärkte die Fachkräfte darin, im Gespräch mit Betroffenen zu bleiben und betonte die Wichtigkeit einer ausführlichen Dokumentation.
Zum Abschluss des Fachvortrages betonte die Referentin den hohen Stellenwert der frühzeitigen Prävention im Hinblick auf sexuellen Missbrauch. Die steigenden Zahlen in der Kriminalstatistik belegten, dass in der Gesellschaft zunehmend hingeschaut werde, wenn Kinder und Jugendliche in Deutschland von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Die Dunkelfeldforschung gehe davon aus, dass durchschnittlich in jeder Schulklasse mit 20 Kindern bereits ein bis zwei von ihnen derartige Gewalt erfahren mussten. Statistiken belegten, dass bis zu 50 Prozent der Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen im sozialen Umfeld (etwa im Verein, in der Freizeit) passieren, zu 25 Prozent im familiären Nahbereich. Für die Fachkräfte wurde deutlich, wie wichtig es ist, das Thema „Sexualisierte Gewalt“ in der alltäglichen Arbeit im Blick zu haben, hinzuschauen und zu handeln.
Rundum war es eine gelungene und sehr informative Veranstaltung, die die Fachkräfte sensibilisiert und im Umgang mit betroffenen Kindern und Jugendlichen gestärkt hat. Die Erkenntnis daraus: Am wichtigsten ist es, Kindern und Jugendlichen zuzuhören und weitere spezialisierte Fachkräfte – etwa die des Jugendamtes – einzuschalten. Dies kann auch im Rahmen einer anonymisierten Fallberatung geschehen.