Musik, Schoppen und Blaulicht
Zwei herausragende Künstlerinnen, dazu ein paar Schöppchen regionalen Weins – und am Ende ein nicht geplanter Blaulicht-Effekt: Der Chanson-Abend mit Simone Eisele (Gesang) und Gülcin Aslanova-Lutz (Klavier) am Sonntagabend in der Frankenhalle Erlenbach wird den rund 80 Besucherinnen und Besuchern wohl noch lange in Erinnerung bleiben.
Der Abend, organisiert im Rahmen des Kulturwochenherbsts in Kooperation mit der Stadt Erlenbach, war gleich in mehrfacher Hinsicht ein Novum: So war die vordere Hälfte der Frankenhalle erstmals mit nach hinten ansteigenden Reihen bestuhlt, die Künstlerinnen spielten nicht auf der großen, sondern einer kleinen Bühne. Das sorgte für besondere Intimität und gefiel wohl auch der Mezzosopranistin, die immer wieder einmal den Weg ins Publikum suchte.
Neu auch: Die Gäste konnten ein Weinpaket erstehen, das in Kooperation mit dem Weingut A. Waigand, dem Weingut Wengerter und Weinbau Ott angeboten wurde. Mehrmals während kurzer Pausen, in denen sich Simone Eisele umzog, wurden Weiß- und Rotweinschoppen serviert.
Zum Schöntrinken des Konzerts waren diese aber unnötig, denn die zahlreichen Chansons von Sängerin und Pianistin, boten erstklassige Unterhaltung und wurden mit großem Applaus belohnt. „Cabaret Sauvignon – Ballalaladen und Wein(en)“ lautete das Motto des Abends – und so vermischten sich an diesem Abend der leibliche mit dem musikalischen Genuss.
Das Programm bot einige unbekanntere Lieder, aber auch Standards wie „Willkommen“, jenem bekannten Lied aus dem Musical „Cabaret“, das auch schon über 50 Jahre auf dem Buckel hat und immer noch taufrisch wirkt. „My Funny Valentine“ bleibt vor allem in Chet Bakers wunderbarer Jazztrompetenversion und der Version im Film „The Fabulous Baker Boys“ in Erinnerung – und auch Simone Eiseles mit lasziver Stimme vorgetragene Version gesellte sich hervorragend zu den vielen unterschiedlichen Interpretationen.
„Bei mir bist du schön“, bekannt geworden durch die Andrew Sisters im Jahr 1938 und seither unzählige Male gecovert, fand Platz im Repertoire. Der „Alabama Song“ aus der Feder von Bertolt Brecht und Kurt Weill – den übrigens die legendären Doors in einer ganz eigenen Version aufnahmen – lehnte sich an das Thema des Abends an, denn schließlich geht es darin unter anderem um den Weg zur nächsten Whiskybar.
Ein Chanson-Abend kann überhaupt nicht schiefgehen, wenn Texte von Georg Kreisler darin integriert werden. Vor 50 Jahren schrieb der für seine teilweise makabren, aber auch witzigen Texte bekannte Österreicher „Mach’s Dir bequem Lotte“ – ein Lied, das harmlos-liebenswürdig beginnt und das am Ende einen Mörder entlarvt, der seine Ehefrau umbringt. Aber seine ganze Sippe, so stellt sich im Lied heraus, war „makaber und ein bisschen schizophren.“ Tante Ida etwa war eine Kannibalin, trug Simone Eisele mit unschuldiger Stimme vor, „sie aß am liebsten Kinder mit Kompott.“ Kreisler liebte düstere Themen, war ein Meister des Makabren und polarisierte – seine Lieder aber bleiben legendär und wurden am Sonntagabend gefeiert. „Der guade oide Franz“ etwa oder das „Haus am grünen Bach“ – alle vorgetragen von Eisele mit geschulter, herausragender Stimme und stimmiger Mimik sowie Aslanova-Lutz’s akzentuiertem Klavierspiel, das angenehm im Hintergrund blieb und Eiseles Stimme viel Raum einräumte.
Mit aufgerissenen Augen und einem Schwarz-Weiß-Bild in der Hand schwärmte Eisele von ihrem Waldemar, jenem durch Zarah Leander bekannt gewordenen Lied aus der Feder von Bruno Balz und Michael Jary. Das war nicht nur Musik und Gesang, sondern auch Comedy!
Just als Eisele Kreislers Klassiker „Ich kann tanzen“ vortrug, machte ein Feueralarm den Spaß vorübergehend zunichte. Die Frankenhalle musste geräumt werden, aber das gut gelaunte Publikum ließ sich nicht beeindrucken: Mit dem Weinglas in der Hand ging es gemächlich nach draußen, wo die ganze Straße vom Blaulicht der unglaublich schnell eintreffenden Erlenbacher Feuerwehr erhellt war. Nach Begehung der Halle wurde Entwarnung gegeben und bis der Ton wieder funktionierte, schenkten die Winzer fleißig nach. Nach drei Zugaben war schließlich Schluss eines höchst unterhaltsamen Sonntagabends, der wohl noch lange nachhallen wird.