Mögliche Biosphärenregion: Kreistag spielt Ball an die Kommunen weiter

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Foto: Winfried Zang

Der Miltenberg Kreistag geht einen weiteren Schritt bei der Beantwortung der Frage, ob es zu einer Biosphärenregion im Spessart kommen wird. Bei lediglich einer Gegenstimme entschied das Gremium, die Kommunen mit ins Boot zu holen und deren Bereitschaft zur Mitwirkung und zum Einbringen von Flächen abzufragen.

Auf großes Interesse stieß in der Kreistagssitzung am Dienstag, 27. Februar, die Vorstellung des Endberichts der Machbarkeitsstudie zu einer Biosphärenregion Spessart. Für die Bietergemeinschaft E.C.O. Institut für Ökologie (Klagenfurt) und ifuplan Institut für Umweltplanung und Raumentwicklung (München) stellte der per Video zugeschaltete Raphael Süßenbacher (E.C.O.) die Ergebnisse der Studie vor, die die formale Machbarkeit und die gesellschaftliche Akzeptanz einer Biosphärenregion untersuchte. Das Ergebnis vornweg: „Die Chancen überwiegen die Risiken.“

„Der Mensch steht im Mittelpunkt“, stellte Süßenbacher klar und verstand eine solche Region als „Angebot an Gesellschaft, Politik und Wissenschaft, neue und dauerhaft tragfähige Formen des menschlichen Umgangs mit der Natur zu entwickeln, die allen Vorteile bringen.“
Die Mindestgröße von 30.000 Hektar sei bei 171.000 Hektar Fläche des Naturparks Spessart kein Problem, mit Miltenberg liege man sogar bei 185.000 Hektar. Von der festzulegenden Gesamtfläche müsse man drei Prozent als Kernzone ausweisen, Pflegezone und Kernzone müssten mindesten 20 Prozent der Gesamtfläche einnehmen und jede Teilzone der Kernzone solle mindestens 50 Hektar haben.

In der Kernzone gehe es darum, die Natur sich selbst zu überlassen, in der Pflegezone stehe der Schutz der Diversität im Mittelpunkt und in der Entwicklungszone die nachhaltige Entwicklung. Auf einer Karte zeigte er die vorhandenen Naturwaldflächen von 2.167 Hektar, die außer Nutzung seien. Allerdings seien diese sehr stark über das gesamte Gebiet verteilt, nur wenige hätten über 50 Hektar. Bezogen auf 185.000 Hektar, würde der Flächenbedarf wie folgt aussehen: Für die Kernzone 5.500 Hektar (9.500 Hektar Fläche sind dafür geeignet), für die Pflegezone (17 Prozent der Fläche) 31.000 Hektar (34.900 Hektar geeignet) und für die Entwicklungszone (50 Prozent der Fläche) 92.800 Hektar (150.000 Hektar geeignet). Diese Flächen seien laut Süßenbacher „eine gute Ausgangsbasis.“ Sein Fazit: Der Kernzonenbedarf sei machbar, da geeignete Räume vorhanden und zusätzliche Beiträge von Kommunen möglich seien. Sowohl die Minimalvariante wie auch die Maximalvariante bögen Vor- und Nachteile. Insgesamt seien alle von der UNESCO geforderten Kriterien erfüllbar, urteilte er.

Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz erkannte er eine positive Grundstimmung bei der Online-Befragung, die Gemeinden warteten ab, die Verbände hätten sich positiv, neutral und ablehnend positioniert, breite Teile der Bevölkerung seien nicht informiert, unentschlossen oder gleichgültig. In der medialen Berichterstattung seien stark polarisierte Einstellungen vermittelt worden, im Beteiligungsprozess sei das aber nicht feststellbar gewesen. Süßenbacher empfahl zum weiteren Vorgehen mehr Öffentlichkeitsarbeit, die aktive Einbindung von Gemeinden, eine repräsentative Bevölkerungsbefragung und die Arbeitsgruppen als Multiplikatoren in breite Bevölkerungsschichten.

Er stellte Stärken und Schwächen aus Sicht der regionalen Akteure gegenüber und kam zum Schluss, dass eine Biosphärenregion mehr Chancen als Risiken biete. Sie biete eine Chance für eine urban-ländliche Biosphärenregion – ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Herausstellen könne man unter anderem die Kulturlandschaft des Spessarts, die Burglandschaft im Spessart, die industrielle Vergangenheit und Gegenwart, den Buntsandstein als prägender Baustoff.

Zur Zonierung empfahl Süßenbacher unter anderem, einen Fokus auf möglichst großflächige Kernzonen zu legen, allgemein solle man alle Beteiligten in die Zonierung einbeziehen und die Zonierung gemäß einem Gesamtkonzept vornehmen.

In wirtschaftlicher Hinsicht könne die Region von einer Biosphärenregion profitieren, zeigte er mit Zahlen aus einer Studie des Bundesamts für Naturschutz sowie Erfahrungen aus dem Biosphärenreservat Rhön. Eine solche Region biete Mehrwerte in finanzieller Hinsicht – etwa im Hinblick auf die Fördermittel. Auch die Stadtbevölkerung profitiere, für die Region eröffneten sich zusätzliche Kooperationsmöglichkeiten.

Finanziell fielen Kosten für die Erstellung des Prädikatisierungsantrags an die UNESCO an (50.000 Euro) und eines Rahmenkonzepts. Sollte ein Nachhaltigkeitsanspruch nicht eingelöst werden – Stichwort Greenwashing, sei dies als Risiko einzustufen.

Der Naturpark Spessart könne mit seinem etablierten Gebietsmanagement zur Biosphärenregion beitragen, als Verein sei er aber mit finanziellen Mitteln limitiert. Eine Biosphärenregion profitiere von einer stärken Personal- und Finanzsituation.

Der Kreistag nahm sich in der Folge viel Zeit, um Fragen zu diskutieren. Neben Süßenbacher und Landrat Jens Marco Scherf beantworteten in der Folge auch Dr. Oliver Konopik (Regierung von Unterfranken), Sebastian Kühl (Leiter Landkreisentwicklung, Wirtschaftsförderung im Landkreis Main-Spessart) und Dr. Oliver Kaiser (Geschäftsführer Naturpark Spessart) die Fragen.

Für den Landrat läuft der Biosphären-Prozess genau zum richtigen Zeitpunkt, denn parallel werde auch an der Ausweisung von Potenzialflächen zur Windkraft gearbeitet. Das sei wichtig, denn mittlerweile könne auch außerhalb der Kernzone Windkraft genutzt werden. Auf 97 Prozent einer Biosphärenfläche sei auch weiterhin die Holznutzung sowie Waldbewirtschaftung möglich, beruhigte der Landrat. In diesen Bereichen gebe es bei der Nutzung keine weiteren Einschränkungen als die, die bereits jetzt zu beachten sind. In Zeiten des Klimawandels biete die Ausweisung einer Kernzone mehreren Kreistagsmitgliedern zufolge auch die Möglichkeit zu lernen, wie die Natur in diesem Bereich ohne menschliches Eingreifen mit der Klimaveränderung zurechtkommt.

Für die Zonierung selbst gibt es noch keinen konkreten Plan, da noch freiwillig zur Verfügung gestellte Flächen von Kommunen dazukommen könnten, erklärte Raphael Süßenbacher. Auf die Frage, wie die Region bei bereits jetzt steigenden Tourismuszahlen weiter profitieren könne, antwortete Landrat Jens Marco Scherf: Der Tourismus laufe gut, aber die Vor-Corona-Zahlen seien noch nicht erreicht, auch sehe man innerhalb Deutschlands noch viel Potenzial. Zudem gehe es darum, auch die jüngere Generation vom Urlaub im Deutschland zu überzeugen. Zur Zukunft des Naturparks stellte Oliver Kaiser fest, dass der Naturpark im Idealfall in die Biosphärenregion übergehen werde. Er sah darin nur Vorteile im Hinblick auf die Arbeitsstruktur, auch würden keine Parallelstrukturen aufgebaut.

Raphael Süßenbacher antwortete auf Nachfrage aus dem Kreistag, dass es in der Kernzone in den ersten zehn Jahren die Möglichkeit gibt, den Wald umzubauen. Dr. Oliver Konopik (Regierung von Unterfranken) ergänzte, dass es bei Gefahren in der Kernzone – etwa durch Schädlingsbefall – nach Rücksprache mit der Regierung Möglichkeiten des Eingreifens gibt.

Der Landrat stellte am Ende klar, dass die Entscheidung des Kreistags noch kein Ja zur Biosphärenregion sei, man gebe nun den Ball an die Kommunen weiter. Erst wenn diese sich eine Meinung gebildet haben, könne der Kreistag endgültig entscheiden. Auf Nachfrage erklärte der Landrat, es gäbe hier kein Zeitlimit. In anderen Regionen habe man sich für diesen Prozess bis zu zehn Jahre Zeit genommen, ergänzte Raphael Süßenbacher.

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