„Lichtblick“ hilft jungen Menschen bei sexualisierten Gewalterfahrungen
Im Miltenberger Familienzentrum in der Mainstraße 19a hat die Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit sexualisierter Gewalterfahrung, „Lichtblick“, ihre Arbeit aufgenommen. Der Landkreis finanziert diese beim Caritas-Kreisverband angesiedelte Beratungsleistung zunächst für drei Jahre mit jeweils 150.000 Euro, die Caritas trägt einen Eigenanteil von zehn Prozent bei.
Dass eine solche Beratungsleistung im Landkreis fehlt, hatte der beratende und begleitende Ausschuss zur Jugendhilfeplanung vor zwei Jahren erkannt und eine Beratungsstelle angedacht. Sowohl bei Landrat Jens Marco Scherf wie auch dem Jugendhilfeausschuss war das Ansinnen auf offene Ohren gestoßen, so dass nach einer Ausschreibung mit insgesamt zehn Kriterien am Ende die Caritas sowohl qualitativ wie auch wirtschaftlich das beste Angebot unterbreitet hatte. „Wir versuchen dazu beizutragen, dass diese wichtige Thematik gut bearbeitet wird“, verwies der Vorstand des Kreiscaritasverbands, Heinrich Almritter, beim Pressetermin am Donnerstag, 20. Juni, auf das gute Team in der Beratungsstelle.
Landrat Jens Marco Scherf lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Caritas. Das Landratsamt selbst sei nicht in der Lage, sich aller Probleme anzunehmen, sagte er. Es brauche manchmal auch einen anderen Zugang als Landratsamt und Jugendamt, denn diese Begriffe seien bei manchen Menschen negativ besetzt. Die sexualisierte Gewalterfahrung sei „ein düsteres Thema“, in das nun Licht hineingebracht werden solle. Extrem wichtig ist es Scherf, allen Betroffenen, ihren Freunden und Angehörigen einen Zugang zu Beratung zu ermöglichen. Nun gehe es darum, Betroffene mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit auf die Existenz der Beratungsstelle aufmerksam zu machen. Der Landrat zeigte sich auch dankbar, dass es trotz aller Sparbemühungen des Landkreises gelungen sei, ein solches Angebot zu etablieren.
Jugendamtsleiter Rüdiger Rätz ergänzte, dass die Thematik in den letzten Jahren leider zugenommen habe. Es gelte dabei, möglichst geräuschlos zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass Betroffene, aber auch die Täter, nach Aufarbeitung der Vorfälle wieder in den Alltag integriert werden können. Laut Ursula Weimer (Jugendamt) ist es wichtig, dass das Beratungsangebot nicht beim Jugendamt angesiedelt ist. Im Familienzentrum sei die Anonymität sehr gut gewahrt angesichts der vielen Menschen, die dort tagtäglich ein- und ausgehen und verschiedene Angebote wahrnehmen, stellte Heinrich Almritter fest.
Die Beratungsstelle soll allen Kindern und Jugendlichen mit sexualisierten Gewalterfahrungen eine Anlaufstelle für vertrauliche Gespräche und eine neutrale Beratung bieten. Die beiden erfahrenen Caritas-Mitarbeiterinnen haben die Beratungsstelle mit Unterstützung von Coach Anne Hilpert-Böse seit März aufgebaut, die Strukturen und garantierte Erreichbarkeitszeiten festgelegt sowie Kontakte geknüpft. Sie bieten Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 16 Jahren Begleitung und Hilfe an, ebenso deren Eltern sowie Bezugs- und Vertrauenspersonen. Auch Fachkräfte und Ehrenamtlich aus unterschiedlichsten Einrichtungen können sich melden, wenn sie Fragen oder Bedarf für eine Beratung haben.
Doch mit der Beratung alleine ist es nicht getan, erklärte Inge Richter. Sie verwies auf geplante Angebote wie einen Elternabend zur Prävention, eine Teamfortbildung zum Thema „Noch Doktorspiele oder schon Übergriff?“ sowie eine weitere Fortbildung zum Basiswissen über sexualisierte Gewalt. Für Multiplikatoren plant Muth Workshops zur Selbstbehauptung für Kinder und Jugendliche, ebenso eine Informationsabend für Eltern von Neun- bis 14-Jährigen, in dem es um Gewalt im digitalen und analogen Alltag geht. Mit Vereinen sollen darüber hinaus ab dem nächsten Jahr Schutzkonzepte erarbeitet werden.
Allen Verantwortlichen ist klar, dass es lange dauert, bis sich Kinder einem Erwachsenen mit ihren Problemen öffnen – es ist also Geduld gefragt. Wenn Muth und Richter dann beraten, erklären sie auch, was passieren kann, wenn jemand angezeigt wird. Ob eine Tat zur Anzeige gebracht wird, müssen Hilfesuchende aber selbst entscheiden – die Beratungsstelle bleibt neutral. „Es gibt keine automatisierte Anzeige, wenn jemand bei uns ist“, sagen die beiden Frauen übereinstimmend. Damit das Angebot erfolgreich ist, wird es ständig überprüft, auch werden die beiden Frauen trotz ihrer hohen Qualifikationen immer weiter qualifiziert.
Die Beratungsstelle hat in den letzten Monaten mehrere Kooperationspartner gefunden – etwa das Landratsamt, die Polizei sowie die Beratungsstellen Sefra und SKF (beide Aschaffenburg), Wildwasser (Würzburg), Lawine (Hanau), Weißer Ring (Miltenberg) und viele mehr. Ihr gemeinsames Ziel lässt sich mit einem Satz beschreiben: „Es geht darum, die Dunkelziffer zu senken.“
Kontakt:
Die Beratungsstelle ist erreichbar in der Mainstraße 19a in Miltenberg.
E-Mail: lichtblick@caritas-mil.de, Telefon: 09371/9789-70 und -71. Persönlich erreichbar sind die Mitarbeiterinnen montags von 8 bis 9.30 Uhr, dienstags von 10 bis 12 Uhr, mittwochs von 13.30 bis 15 Uhr, donnerstags von 9 bis 11 Uhr und freitags von 9 bis 10 Uhr. Eine offene Sprechstunde findet jeweils dienstags von 13 bis 14 Uhr statt.