Landrat besucht Gemeinde Dorfprozelten

Über fünf Stunden hat sich Landrat Jens Marco Scherf am Donnerstag, 27. Juli, Zeit für einen Gemeindebesuch in Dorfprozelten genommen, am frühen Abend stand der Landrat den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort.

In Begleitung seiner Juristen Stefan Pache und Matthias Krah sowie Josef Schäfer (Vergabestelle) fand der Auftakt in der Gemeindeverwaltung statt, wo die Delegation von Bürgermeisterin Elisabeth Steger, stellvertretendem Bürgermeister Albert Steffl, Geschäftsleiter Sebastian Kiefer, Kämmerer Christian Schlegel und den Gemeinderäten Andreas Seus und Florian Haberl in Empfang genommen wurde. Steger erläuterte ihren Gästen die Projekte, die in Dorfprozelten auf der Agenda stehen. So plant die Gemeinde den Neubau des Kindergartens auf einem Grundstück neben der Grundschule. Durch den Neubau erhoffe man sich auch Synergieeffekte mit der Schule, so die Bürgermeisterin –etwa mit einer gemeinsamen Mensa oder einer gemeinsamen Heizung. Was möglich ist, müsse man mit dem Schulverband klären.

Nach einem Rundgang durch das Rathaus, bei dem unter anderem die Archivierung der Baupläne Thema war, wurde die wirtschaftliche Bedeutung der Schifffahrt für Dorfprozelten und den Südspessart verdeutlicht. In der Werft der Mainschifffahrtsgenossenschaft (MSG) zeigten Betriebsleiter Rainer Bauer und Vorstandsmitglied Manfred Mohr, wie hier Schiffe repariert, gewartet und modernisiert werden. Hier werden beispielsweise aus Dieselaggregaten der Abgasstufe II durch den Einbau neuester Abgasnachbehandlung Motoren der Abgasstufe V – also auf dem Niveau moderner Lastwagen. Die Modernisierung dieser Motoren sei eine Zeitlang gefördert worden, so Manfred Mohr, leider laufe diese Förderung aber aus. Das sei besonders ärgerlich, da in den Niederlanden weiter gefördert wird. „Wir fühlen uns schon ein bisschen benachteiligt“, machte Mohr aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Wir bräuchten nur einige Millionen, während die Bahn Milliarden bekommt“, verwies er darauf, welch großen Beitrag die Binnenschifffahrt für den Transport von Waren leistet und wie viele Lastwagen nicht auf die Straße müssen, wenn ein Schiff Güter transportiert. Landrat Jens Marco Scherf versprach, dieses Anliegen ins zuständige Bundesministerium weiterzugeben.

In Dorfprozelten sind 35 Mitarbeiter beschäftigt und gerne würde die MSG mehr Leute einstellen, auch Auszubildende, aber es seien kaum Handwerker wie Elektriker, Schlosser oder Monteure zu bekommen, bedauerte Rainer Bauer. Auch an Auszubildende komme man trotz vieler Anstrengungen nicht heran. Die Auftragslage sei sehr gut, sind sich Bauer und Mohr einig, mit mehr Personal könnte man sogar noch mehr leisten. Auf dem Dach der Firma habe man eine leistungsfähige Photovoltaikanlage installiert mit einem großen Speicher, so dass man sich selbst mit Strom versorgen könne, erläuterte Bauer.

Nächste Station der Rundreise war die Deponie auf dem Höhberg, wo eine ehemalige Hausmülldeponie, die später Erdaushub und Bauschutt aufnahm, rekultiviert wird. Die notwendige Abdichtung könnte bis 2024/2025 fertig sein. Geklärt werden muss noch, ob man die Fläche möglicherweise mit Freiflächen-Photovoltaik belegen kann. In unmittelbarer Nähe der Deponie zeigte Steger ein Zauneidechsenbiotop, die Eidechsen waren zuvor – unter anderem dank Mithilfe der Naturpark-Grundschule Dorfprozelten – vom Deponiegelände hierher umgesiedelt worden.

Dass fast alle Weinreben oberhalb der Gemeinde im Eigentum des Freistaats Bayern sind – genauer gesagt der Staatlichen Hofkellers Würzburg –, ist wenigen Weingenießenden bewusst. Edmund Prechtl, der bis vor wenigen Jahren den Dorfprozeltener Betrieb des Hofkellers leitete, nahm die Delegation mit in den Weinberg, in dem auf elf Hektar Fläche Rotweine (Dornfelder, Spätburgunder, Frühburgunder, Saint Laurent) und Weißweine (Bacchus, Sauvignon Blanc) angebaut werden. Seit drei Jahren wird hier ökologisch gewirtschaftet – ein Probelauf, wie Prechtl sagte. Die reifen Trauben werden nach Würzburg transportiert, wo sie zusammen mit den Trauben der anderen Hofkeller-Betriebe gekeltert werden. Eigene Bio-Weine gebe es noch nicht, erklärte der langjährige Gemeinderat und Winzer Prechtl, dessen Tochter die Hofkeller-Betriebe in Dorfprozelten, Großheubach und Hörstein leitet. In den steilen Hanglagen werde zu 95 Prozent per Hand gelesen, bewässert würden ausschließlich die jungen Reben. Denn, so der Fachmann, ältere Reben holten sich das Wasser in Tiefen von sechs bis acht Metern und bräuchten die Bewässerung nicht. Zudem seien die Niederschlagswerte in Dorfprozelten relativ gut.

Am Abend stellte sich der Landrat im Stern-Saal den Fragen von rund 30 Bürgerinnen und Bürgern. Für ihn seien die Gemeindebesuche sehr wertvoll, sagte Scherf, denn auf diese Weise erfahre er aus erster Hand, was in den Kommunen vor sich geht, wo Probleme auftauchen und wo der Landkreis vielleicht helfen kann. Unter anderem ging Scherf auf die Bedeutung der Firma Magna Mirrors für den Südspessart ein. Dank des gemeinsamen Einsatzes der Politik über Parteigrenzen hinweg und vor allem dank des enormen Engagements der Belegschaft sei es gelungen, den Weltkonzern davon zu überzeugen, dass es mit neuen, innovativen Produktlinien gelingen wird, den Standort zu sichern – auch wenn Arbeitsplätze abgebaut würden, so habe man eine langfristige Perspektive für 250 wohnortnahe Industriearbeitsplätze im Südspessart. Das Wohl und Wehe des Landkreises Miltenberg hänge entscheidend an der Industrie, verwies Scherf mit Blick auf den extrem hohen Anteil von Industriearbeitsplätzen unter anderem auch auf Firmen wie Alcon sowie das Industriecenter Obernburg. Der Landkreis werde aufgrund der starken energieintensiven Industrialisierung neben einen starken Ausbau der regionalen und regenerativen Energieversorgung Stromimporte benötigen. Deshalb komme dem Anschluss ans europäische Wasserstoffnetz in der zweiten Hälfte der 20er Jahre eine große Bedeutung zu. Hier sei man aber auf einem guten Weg, versicherte er auch mit Blick auf das Kraftwerk Obernburg.

Die Frage nach dem geplanten Regionalen Energiewerk (REW), in dem sich Gemeinden und lokale Energieversorger zusammenschließen wollen, beantwortete Bürgermeisterin Elisabeth Steger mit dem Hinweis, dass bis nach der Sommerpause klar sein soll, welche Kommunen beitreten. Mit dem REW, so ergänzte der Landrat, nähmen die Gemeinden die in der Region zukünftig möglichen Energieprojekte in die eigene Hand, ohne dass Investoren aus allen Teilen Deutschlands den Rahm abschöpften. Es geht darum, die Möglichkeiten der Windkraftnutzung in regionaler und kommunaler Hand zu haben, betonte Scherf die Bedeutung des Engagements der Kommunen. Das REW könne zudem auch ein Instrumentarium in Bezug auf die kommunale Wärmeplanung sein, glaubte der Landrat. In der Folge erklärte er auf Nachfrage aus dem Gremium die aktuelle Haushaltssituation und die langfristig angelegte Strategie zur Generalsanierung der Berufsschule im Landkreis und damit zur Stärkung der beruflichen Bildung. Sowohl die Finanzkraft des Landkreises als auch die extrem starke Belastung der Gemeindehaushalte seien Argumente, dass man in den nächsten Jahren verstärkt auf die Fremdfinanzierung setzen werde.

Das Thema Flucht und Migration nahm in der Folge breiten Raum ein – vor allem angesichts der Tatsache, dass der Landkreis seit Dezember 2022 jede Woche 25 Geflüchtete aufnehmen und unterbringen muss. Daher sei man auf der Suche nach geeignetem Wohnraum, appellierte Scherf an Hauseigentümer, sich beim Landkreis zu melden, wenn sie geeignete Häuser haben und bereit sind, auch während der Belegung für die Bewohnerinnen und Bewohner ansprechbar zu sein. Die Geflüchteten sollen im Idealfall erst gar nicht in eine Notunterkunft kommen, sondern gleich in Wohnungen umziehen, erläuterte Scherf, der unter allen Umständen die Belegung von Sporthallen vermeiden will. „Wenn wir Sporthallen belegen müssen, dann geht dies zu Lasten des Schul- und Vereinssports und damit entscheidend zu Lasten unserer Kinder und Jugendlichen – nach der schweren Zeit der Pandemie müssen wir das zu Gunsten unserer Kinder und Jugendlichen unbedingt vermeiden“, so der nachdrückliche Appell von Scherf. Dort, wo der Landkreis Wohnungen angemietet habe, laufe es auch gut, sagte er. Bei Beschwerden gehe man sofort raus, auch in Kooperation mit der Polizei gehe man auch niedrigschwellig Beschwerden nach – doch in der Regel laufe es in den inzwischen über 70 dezentralen Unterkünften gut, so der Landrat. Scherf erneuerte seine Forderung an den Bund, in die Flüchtlingspolitik mehr Struktur zu bringen – etwa durch die Registrierung der Geflüchteten bereits an der Außengrenze der EU. Auch sollten die Geflüchteten den Kommunen erst nach Abschluss des Verfahrens zugewiesen werden, damit unmittelbar mit der Integration begonnen werden könne, so Scherf.

In Dorfprozelten selbst gab es bislang keinerlei Probleme mit den Geflüchteten, war den Wortmeldungen zu entnehmen. Sowohl die 2015 aus Syrien Gekommenen wie auch die Menschen aus der Ukraine seien mit viel Engagement schnell integriert worden, erklärte Wolfgang Heim und Bürgermeisterin Steger lobte den Helferkreis, der großartige Arbeit geleistet habe. Dieser Kreis werde sicher wieder aktiviert, kündigte Gabi Almritter an. Sie bot zudem an, ab September wieder Deutschkurse geben zu wollen. Gerade hier wünscht sich Gerhard Ammon, pensionierter Lehrer, weniger Bürokratie. Selbst er und Almritter als ausgebildete Lehrer dürften keine anerkannten Deutschkurse geben, sogar sie müssten laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuvor noch kostenpflichtige Alphabetisierungskurse besuchen, kritisierte er. Auch Ruth Heim zeigte sich optimistisch: „Wieso sollten wir es nicht schaffen, wenn weitere Geflüchtete kommen?“ „Dorfprozelten war als Schifferort schon immer weltoffen“, zeigte sich auch Elisabeth Steger überzeugt davon, Geflüchtete erneut gut integrieren zu können.

Beim Rundgang durch die MSG-Werft erläuterte Betriebsleiter Rainer Bauer dem Landrat und seinen Begleitern die verschiedenen Arbeiten an Schiffen, die in Dorfprozelten geleistet werden. Foto: Winfried Zang
Edmund Prechtl, ehemaliger Betriebsleiter der Weinberge des Staatlichen Hofkellers, erläuterte den Gästen die Bewirtschaftung der Rebstöcke. Foto: Winfried Zang

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