Kreistag sagt Ja zu Kreisumlagehebesatz von 47,9 Prozent
Der Haushalt des Landkreises Miltenberg ist unter Dach und Fach: Das Gremium sagte am Donnerstag, 27. März, unter großem Interesse auf den Zuschauerrängen Ja zur Haushaltssatzung mit einem Kreisumlage-Hebesatz von 47,9 Prozent. Nach der Sitzung des Kreisausschusses am Donnerstag der Vorwoche hatte Kreiskämmerer Steffen Krämer noch mehrere Punkte eingearbeitet, die aufgrund von Anträgen von CSU und Neuer Mitte sowie ÖDP eine Mehrheit im Ausschuss gefunden hatten.
Der Kämmerer erläuterte zunächst diejenigen Anträge, die aufgrund ihrer Finanzwirksamkeit im Jahr 2025 in den Haushalt Eingang fanden. Dazu zählten etwa die Reduzierung der Rückstellung für die Bezirksumlage von zwei auf ein Prozent (1,8 Millionen Euro) und die Reduzierung der Rücklage für Bau/Sanierung der Berufsschule von zwei auf ein Prozent (1,8 Millionen Euro). Der Antrag der ÖDP auf Streichen einer zusätzlichen Stelle für die Zulassungsstelle – von der aber nur eine halbe Stelle besetzt ist – wurde insofern eingearbeitet, als dass die halbe unbesetzte Stelle nicht mehr im Stellenplan 2026 auftauchen wird. Eine Streichung weiterer Stellen im Umfang von 1,5 Vollzeitäquivalenten bräuchten laut dem Kämmerer Strukturänderungen und Personalanpassungen mit einer entsprechenden Vorlaufzeit.
Zur beantragten Reduzierung der Leitungsteamstellen der Jugendsozialarbeit an Schulen von drei auf zwei sagte Krämer, dass hier 0,7 Vollzeitäquivalente eingeplant seien. Eine Besetzung werde aber vorerst nicht erfolgen, zunächst müsse mit dem betroffenen Bereich, der Personalbemessungsfachkraft und dem kommunalen Prüfungsverband geredet werden. Andere Änderungswünsche hatten keine Auswirkungen auf den Haushalt 2025 wie die Reduzierung der Gesamtkosten für die Heizungssanierung Elsenfeld von 1,8 auf 1 Million Euro, welche zuerst im zuständigen Ausschuss für Energie, Bau und Verkehr besprochen werden.
Haushaltsreden (Auszüge):
Laut dem stellvertretenden Landrat Bernd Schötterl müsse die Handlungsfähigkeit des Landkreises erhalten werden. Jedes Kreistagsmitglied müsse entscheiden, welche Umlagenhöhe welche Auswirkungen auf Landkreis und Kommunen habe. Der Landkreis als Kopf der kommunalen Familie handele für seine 32 Kommunen und erfülle Aufgaben für die gesamte Kreisbevölkerung. Dazu brauche es aber ausreichende Finanzen. Dieses umlagenfinanzierte System drohe aber aufgrund staatlicher Unterfinanzierung zu kollabieren, fürchtete er. Staatliche Aufgaben mehrten sich, die Kosten hierfür würden aber nicht komplett erstattet, verwies Schötterl auf eine Unterdeckung von 3,5 Millionen Euro. Klare Worte fand er zur Kreisumlage: Der Kreis benötige eigentlich 49,9 Prozent zur Erfüllung seiner Aufgaben, jede Zahl darunter sei „eine politische Würdigung des Spannungsfeldes zwischen Landkreis und Kommunen.“ Dies aber sei legitim – auch unter dem Gesichtspunkt, besonders betroffenen Kommunen Luft zum Atmen zu lassen. So müsse sich jeder und jede für oder gegen „ein kurzfristiges Pflaster“ in diesem Jahr und für eine vielleicht im nächsten Jahr anstehende „große OP“ entscheiden. Glücklicherweise wolle offenbar niemand die Generalsanierung mit Neubau der Berufsschule verschieben oder aufheben, zeigte sich Schötterl erleichtert. Für deren Umsetzung brauche es aber ein Minimum an Eigenkapital. Er könne mit jeder mehrheitlich zustande gekommenen Zahl leben, sagte er. Er gab aber zu bedenken, dass der Kreis über die Jahre hinweg einen immer geringer werdenden Anteil an der stetig steigenden Umlagekraft über die Kreisumlage genommen und so den Kommunen mehr Geld gelassen habe. Zwei Prozent Kreisumlage weniger seien „eher ein Zeichen oder ein Feigenblatt“, das keiner Kommune nachhaltig nutze. Aber zwei Prozent könnten auch geeignet sein, die Handlungsfähigkeit des Kreises zu gefährden, mahnte er. Für ihn wäre ein Hebesatz von 49,9 Prozent richtig, denn diesen könne man über 2025 hinaus halten.
Für die CSU beleuchtete Armin Bohnhoff die kommunale Situation, wo Ausgabenkürzungen, Projektstreichungen und Projektverschiebungen die Folge eines 49,9-prozentigen Kreisumlagesatzes wären. Die CSU sei davon überzeugt, dass man „im Jahr 2021 falsch abgebogen“ sei. Man habe damals viel Kritik einstecken müssen für die Forderung, alle Ausgaben und Projekte auf den Prüfstand zu stellen. So seien beispielsweise die Personalkosten von rund 20 Millionen Euro im Jahr 2016 auf aktuell 36,6 Millionen Euro gestiegen. Bohnhoff zeigte anhand einiger Zahlen, dass man auch nicht von einer deutlichen Unterfinanzierung im umlagestrukturierten System reden könne. Er ging auf die von CSU/Neuer Mitte angeregten Alternativen zur Haushaltskonsolidierung ein, die einen Hebesatz von 47,9 Prozent ermöglichten – auch wenn klar sei, dass 2026 eine Erhöhung der Kreisumlage wahrscheinlich sei. Mit 47,9 Prozent könne jeder leben, glaubt Bohnhoff, aber es gelte weiter, über das zu diskutieren, was man sich leisten könne. „Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem“, stellte er fest.
Für Michael Schüßler (Freie Wähler) wären echte, kostenwirksame Einsparungen richtig. Das wären Maßnahmen, die nicht nur verschoben werden, vielmehr müssten Stellen, Projekte und Ausgaben von Prioritätenlisten genommen und gestrichen werden. Das sei bisher nicht gelungen, kritisierte er, fast der gesamte Kreistag habe sich schwer getan mit der Benennung echter Einsparpotenziale. Nur die ÖDP habe mit ihrem Antrag eine kostenwirksame Einsparung erreicht, CSU und Neue Mitte aber nicht. Damit sei der Haushalt mit 49,9 Prozent „fachlich unwidersprochen.“ Die nun erfolgte Absenkung sei daher eine rein politische Entscheidung. Bei der Berufsschule gehe es darum, Fläche und Geld einzusparen, und nicht darum, die Schule zu vergrößern. Die Sanierung sei man aber den Unternehmen, dem Handwerk und der Industrie schuldig. Es brauche die Aufdeckung von Sparpotenzialen, die Optimierung der Verwaltung, die Verbesserung der Arbeit in den Ausschüssen, forderte Schüßler – und das über Parteigrenzen hinweg mit besserer Kommunikation.
Petra Münzel (Bündnis 90/Die Grünen) rief in Erinnerung, dass schon vor Erstellung des Haushaltsentwurfs zahlreiche Einsparungen in Höhe von 3,9 Millionen Euro umgesetzt worden seien. Sie übte Kritik an der geforderten Einsparung von Stellen, die laut Personalbemessung aber notwendig seien. Vollkommen unverständlich sei die Streichung der Stellen für Jugendsozialarbeit an Gymnasien, für Münzel „ein fundamentaler Irrtum“. Auch ausreichende Teamleitungen seien notwendig, forderte sei, bereits jetzt würden zahlreiche Überstunden geleistet. Würde man die Kreisumlage bei 49,9 Prozent festlegen, wäre im Jahr darauf keine Erhöhung notwendig, stellte sie fest. Ein klares Ja kam von ihr zur Generalsanierung mit Neubau der Berufsschule, denn man brauche dringend Facharbeitskräfte. Angesichts des Kommunalwahlkampfs in 2026 fürchtete sie aber, dass die Generalsanierung verschoben werden könnte. Sie wies auf die extrem gemeindefreundliche Politik des Landkreises in den letzten Jahren hin und stellte fest: Hätten man die Umlage nicht auf 43 Prozent gesenkt, sondern über mehrere Jahre bei 46 Prozent belassen, gäbe es die derzeitigen Probleme nicht.
Für Günther Oettinger (Neue Mitte) könnten beide Seiten mit dem Hebesatz von 47,9 Prozent zufrieden sein. Wenn sich aber an den Steigerungen von Ausgabenpositionen wie Soziales, Jugendhilfe, Sozialhilfe, Jobcenter, Schülerbeförderung, ÖPNV und Personal nichts ändere, „werden wir uns weiter streiten müssen.“ „Leistungshemmende Ausschüttungen von Geldern der sozialen Wohltaten“ würden Kreise und Kommunen weiter daran hindern, nötige Investitionen anzugehen. Auch die Politik in Bund und Ländern nahm Oettinger in die Verantwortung mit seiner Forderung, hier die Axt anzusetzen. Kreis und Kommunen sollten versuchen, künftige Steigerungen gerecht zu verteilen, so sein Appell.
Für die SPD wies Karl-Heinz Paulus darauf hin, dass der Landkreis Miltenberg immer noch eine der niedrigsten Kreisumlagen in Bayern habe. Das zeige, dass die Verwaltungsstellen nicht überbordend seien – erst recht vor dem Hintergrund der hohen Investitionen in den letzten Jahren. Paulus stellte klar, dass die SPD dem Stellenplan nicht zustimmen werde. Die Einsparung einer halben Stelle in der Zulassungsstelle berge die Gefahr von Qualitätsverlusten, kritisierte er. Die Jugendsozialarbeit sei zudem keine Konsumausgabe, verwies er auf einen steigenden Bedarf aufgrund von psychischen Erkrankungen und Entwicklungsstörungen – unabhängig von der Schulart. Die Streichungen hier seien „nicht nachvollziehbar“. Die Qualität werde sinken, prophezeite er. Sparpotenziale sah er in der Tourismusförderung und der ZENTEC, bei den Schwächsten dürfe man aber nicht sparen.
Für Markus Krebs (FDP) steht fest, dass die Einnahmen nicht mit den Ausgaben Schritt hielten. Der Freistaat sorge nicht für ausreichende Kostendeckung bei den übertragenen staatlichen Aufgaben, kritisierte er. Vielleicht sollten Landräte und Bürgermeister einmal vor der Staatskanzlei dagegen protestieren, so wie dies in Hessen der Fall war. Eine Umlage von 47,9 Prozent sei „eine Wette auf die Zukunft“, er hätte sich über eine Umlage von 49,9 Prozent gefreut, da dies mehr Planungssicherheit bedeutet hätte. Nun müsse man überlegen, wo man konkret sparen könne – und nicht, was man verschieben könne. Er forderte dazu auf, schnellstmöglich in die Berufsschule zu investieren.
Dass der Antrag von CSU und Neuer Mitte so spät eingebracht worden sei, habe sie als unfair empfunden, kritisierte Regina Frey (ÖDP) und ging auf die einzelnen Punkte ein. Auch sie appellierte, die Sanierung der Berufsschule nicht zu verschieben. Die Umlage von 47,9 Prozent bringe die Investitionen in Gefahr, stellte sie fest. Der Stellenplan gefalle ihr nicht, sagte sie weiter und forderte, die Abteilungsleiter auf der Suche nach Einsparungen und Optimierungen stärker einzubeziehen. Ein kleines Einsparpotenzial sah sie bei diversen Mitgliedsbeiträgen des Landkreises.
Klare Kritik an den Einsparungen im Bereich Jugendsozialarbeit kam von Andreas Adrian
(Die Linke). Dies werde zu vielfach höheren Sozialausgaben im Nachgang führen,
prophezeite er. Für Adrian ist auch das ÖPNV-Angebot ausbaufähig, die Investitionen in
die Radwege bezeichnete er als zu niedrig.
Unisono sprachen alle Rednerinnen und Redner sowie stellvertretender Landrat Bernd Schötterl der Kreiskämmerei mit Steffen Krämer ein riesiges Lob für seine Arbeit aus und würdigten die großen und erfolgreichen Anstrengungen, die geforderten Änderungen im Haushalt binnen einer Woche in den neuen Entwurf einzuarbeiten.
Als Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags berichtete Gerhard Rüth von einer Sitzung der Bürgermeister, in der die überwiegende Anzahl der Sitzungsteilnehmenden die Umlage von 47,9 Prozent mitgetragen hätten. Am Ende bedankte sich stellvertretender Landrat Bernd Schötterl für die ernsthafte, aber friedliche Diskussion.
Beschluss:
Der Beschluss für die Haushaltsatzung mit einem Hebesatz von 47,9 Prozent fiel gegen elf Stimmen, der Stellenplan wurde mit 15 Gegenstimmen genehmigt, das Investitionsprogramm gegen zehn Stimmen. Einstimmig dagegen fielen die Beschlüsse zum Finanzplan und zur geplanten Kreditaufnahme von 5,5 Millionen Euro.