Krankheitsbild Demenz entstigmatisieren
Demenz ist ein Thema, das alle Menschen angeht – auch wenn man es gerne von sich wegschieben möchte. Häufig ist das Krankheitsbild verbunden mit Scham und gekoppelt mit der Angst vor Zurückweisung und Ausgrenzung. Daher gilt es, das Thema offensiv anzugehen und im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Der Fachtag zum Thema Demenz am Samstag, 29. Juli, in der Kleinwallstädter Zehntscheuer leistete dazu einen wichtigen Beitrag.
„Jeder zweite Deutsche hat Angst vor Demenz“, führte Bürgermeister Thomas Köhler in den Fachtag ein, deshalb sei die Demenz ein wichtiges Thema für die Gesellschaft. Die Beratungsstelle Demenz sei daher ihr Geld wert, lobte er deren Einsatz, aber auch das Engagement anderer Stellen, die ihren Beitrag leisten. Mit dem Demenz-Parcours, der in der Zehntscheune aufgebaut war, könnten die Gäste sich in Demenzkranke hineinversetzen, um ihnen im Alltag verständnisvoller zu begegnen, so Köhler. Vom Gesundheitsamt Miltenberg freute sich Tammy Duval über die gute Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Demenz und über die gute Resonanz des Fachtags, bei dem schon kurz nach Beginn alle Stationen des Parcours belegt waren.
Der Parcours diene nicht als Demenztest, stellte sie klar, er sei nur eine Einführung in das Krankheitsbild. Für die Nachbarschaftshilfe Kleinwallstadt und den Gesundheitsverein dankte Hannelore Kreuzer der Gemeinde für die Überlassung der Zehntscheune.
Der sogenannte Hands-On-Dementia-Parcours zeigte den Gästen, vor welchen Aufgaben Demenzkranke stehen. An zwölf Stationen wurden jeweils Situationen aus dem Alltag dargestellt, die es zu meistern galt. Da ging es beispielsweise um Themen wie Mittagessen, „In der Stadt“, „Kochen und Backen“, „Anziehen“, „Autofahren“, „Am Ende des Tages“, „Einkaufen“ und „Frühstücken“. Tafeln an den Stationen zeigten den Gästen, was sie tun sollen. Im Verkehr beispielsweise sollte man sich vorstellen, auf eine Kreuzung zuzufahren, wo man Vorfahrt gewähren muss. Das entsprechende Verkehrsschild sollte gezeichnet werden, aber auch das Verkehrsschild, das der Vorfahrtsberechtigte sieht. Es galt beispielsweise, Zeichen in einer einfachen Reihenfolge auf ein Blatt Papier zu bringen. Beim Abendessen sollte Obst in einen Becher gegeben werden, wobei sich Löffel und Becher nicht berühren dürfen. Auch die Reihenfolge des Obstes war vorgegeben. Viele weitere solche Übungen ließen die Gäste nachempfinden, wie es Menschen mit Demenz geht. Sie erfuhren, wie es ist, wenn sich einfache Handlungen nicht mehr umsetzen lassen, wenn Gewohntes nicht mehr gelingen will, wenn man aus Verzweiflung wütend wird, wenn man sich nichts mehr zutraut und wenn man scheitert. Gerade deshalb ist es so wichtig, Verständnis für diese Krankheit zu entwickeln, Betroffene zu entstigmatisieren und Demenzerkrankungen zu enttabuisieren.
Emilia Cichos-Schiffelholz, Anke Haas (beide Beratungsstelle Demenz) und Tammy Duval erklärten den Gästen den ganzen Nachmittag über die einzelnen Stationen und vermittelten Wissenswertes zum Krankheitsbild. Neben dem Parcours stand auch ein Büchertisch zum Thema bereit, ebenso ein Demenzkoffer. Gäste konnten auch ihre Gedanken zum Thema niederschreiben.
In seinem Vortrag „Medizinische Aspekte der Demenz“ ging Dr. Mohamed Lamine Benghebrid (Chefarzt Neurologie und Geriatrie, Helios-Klinik Erlenbach) auf Inzidenz, Ursachen, Prävention, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der verschiedenen Demenzerkrankungen ein. Er schaffte es, die Thematik verständlich zu vermitteln. Auch beantwortete er mehrere Fragen aus Reihen des Publikums.
Auf großes Interesse stieß auch Jochen Müller vom Verein „Bürger retten Leben“, der im Foyer die Funktionsweise von Defibrillatoren vorführte und viele Fragen beantwortete. Er rief dazu auf, im Ernstfall zunächst den Rettungsdienst zu rufen und dann den Mut zu haben, Betroffene im Bedarfsfall zu reanimieren. Dabei könne ein Defibrillator – in Kleinwallstadt und Hofstetten etwa hängen mittlerweile zehn Exemplare – könne helfen. „Haben Sie keine Angst vor der Benutzung“, appellierte er: Die Defibrillatoren erklärten per Sprache selbst, was zu tun ist. Sie diagnostizieren, ob ein Stromschock überhaupt notwendig ist und, falls ja, in welche Reihenfolge vorzugehen ist. „Sie können nichts falsch machen, wenn sie eine Rettung versuchen“, stellte er klar, auch werde man nicht verantwortlich gemacht, sollte die Rettung nicht klappen.