Kinderärztliche Versorgung: Dringende Akutfälle werden behandelt
Wenn ab Ende Juni die Kinderarztpraxis Zeller mit 2 Arztsitzen und Versorgungsaufträgen in Miltenberg schließt, verbleiben im Landkreis Miltenberg vorerst lediglich 6,0 von 8,5 für die kinderärztliche Versorgung vorgesehene kassenärztliche Sitze. Dass es daher zu Einschränkungen bei der Versorgung kommen wird, ist gewiss. Auf Einladung von Landrat Jens Marco Scherf fand in der letzten Mai-Woche ein Runder Tisch mit Kinder- und Hausärzten, Gesundheitsamt, Gesundheitsregionplus und Kassenärztlicher Vereinigung statt.
Klare Botschaft und das Ergebnis der Besprechung lautet dennoch: „Die Versorgung aller dringenden Akutfälle ist sichergestellt dank des großen Engagements unserer Ärztinnen und Ärzte im Landkreis Miltenberg!“, fasst Landrat Scherf das wichtigste Ergebnis zusammen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, KVB, wird weiter alle Anstrengungen unternehmen, die ab 1. Juli unbesetzten Sitze zu besetzen. Hierzu stehen weiter umfassende Fördermöglichkeiten bei einer Niederlassung zur Verfügung.
Erste Anlaufstelle für die Versorgung dringender Akutfälle bleiben die Kinderarztpraxen. Die Einschätzung, was ein Akutfall ist und welches Kind von einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin in Augenschein genommen werden muss, treffen in erster Instanz die medizinischen Fachangestellten in den Kinderarztpraxen. „Sie sind Profis, sie beraten Eltern telefonisch und vereinbaren in Akutfällen auch Termine in den Praxen“, so die Botschaft der Kinderarztpraxen. Das Personal könne die Dringlichkeiten sehr gut einschätzen. Diese Fachkompetenz sei integraler Bestandteil ihrer Ausbildung. An dieser Priorisierung gehe kein Weg vorbei, so die Einschätzung der Ärztinnen und Ärzte.
Der weitaus größte Teil der Eltern hat nach Einschätzung der Kinderärzt*innen Verständnis für die Situation und zeigt sich solidarisch, wofür sich die Ärztinnen und Ärzte bedanken. „Einige der Eltern überziehen aber mit ihren Ansprüchen und versuchen diese auch mit zu viel Vehemenz durchzusetzen. Bitte bewahren Sie die Höflichkeit“, lautet deshalb der Appell, denn die Angestellten müssten bereits jetzt sehr viel aushalten. „Niemand vor Ort kann etwas für die aktuelle Situation, aber alle helfen zusammen, um die Versorgung bestmöglich sicherzustellen. Gerade in der schwierigen Situation müssen wir einander Respekt und Wertschätzung entgegenbringen, um die derzeitige Versorgungslage durch den Verlust von Praxispersonal nicht noch weiter zu verschärfen“, fasst Landrat Scherf die Bitte aller Beteiligten zusammen. „Die Beratung am Telefon ist kein „Abwimmeln“, sondern ist als eine kompetente medizinische Leistung und Unterstützung der Eltern anzusehen. Denn nicht immer ist der Besuch in der Arztpraxis notwendig, aber ein fachlich fundierter Rat an die Eltern“, betonte Scherf.
Aufgrund der Überlastungen in den Praxen könne es aber durchaus vorkommen, dass das telefonische Durchkommen zu Stoßzeiten schwierig ist, hier ist tatsächlich Geduld und mehrfaches Versuchen notwendig.
In der Versammlung stellte sich auch heraus, dass es keinerlei Standesdünkel gibt zwischen Haus- und Kinderärzten, sondern eine engagierte gegenseitige Unterstützung. So wurde beispielsweise das Angebot von Julia Linke, Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Niedernberg, sehr positiv bewertet, die Kinderarztpraxen mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen zu unterstützen, wenn die Fachpraxen dies aufgrund Überlastung nicht schaffen. Manche Überweisungen – etwa in Sozialpädiatrische Zentren – könne sie aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht ausstellen, aber das könne man im Zusammenspiel mit den Kinderarztpraxen lösen.
Auf Anregung der Versammlung will Jörg Friess, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands, unter seinen Kolleginnen und Kollegen abfragen, ob weitere Hausärztinnen oder Hausärzte Kinder impfen würden. Das ist insbesondere wichtig, wenn Kinder in den Kindergarten gehen wollen und dafür die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Der Kontakt zu diesen Ärztinnen und Ärzten würde dann jeweils über die Kinderarztpraxen erfolgen. Möglicherweise könne dann gesammelt – etwa an einem Freitagnachmittag – in einer Praxis geimpft werden, so wie dies beispielsweise während der Corona-Pandemie geschehen ist. Das Gesundheitsamt erklärt sich dazu bereit, dabei organisatorisch zu unterstützen.
Die Ärzteschaft im Landkreis sowie alle Anwesenden hoffen sehr, dass sich zeitnah noch zwei Kinderärztinnen oder Kinderärzte finden, damit die Lücke in der Versorgung geschlossen werden kann. Ein bereits praktizierender Kinderarzt kann sich auch durchaus vorstellen, einen Kinderarzt bei sich anzustellen. Die Bemühungen seitens der Kassenärztlichen Versorgung laufen weiter, neue Kinderärztinnen und Kinderärzte anzuwerben.