Kinder leben Kunst

Seit Herbst 2020 gibt es an der Dr.-Ernst-Hellmut-Vits-Grundschule in Erlenbach eine Kunstgrundschule. Die Schule, die einzige ihrer Art im Bezirk Unterfranken, hat voll eingeschlagen, wie sich bei der Vernissage am Donnerstagabend erwies: 20 Projekte wurden in den vergangenen Jahren vollendet, acht weitere werden folgen. Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert, das Kollegium zieht voll mit und auch die Künstlerinnen des Kunstnetzes freuen sich über das große Interesse an ihren Workshops.

Die Aula der Grundschule war prall gefüllt, als Rektor Andreas Bieber eine lange Liste von Gästen begrüßte aus Landes-, Landkreis- und Stadtpolitik. Elternbeirat, Förderverein, Schulamt, Hausmeister, diverse Bildungseinrichtungen, Lehrerkollegium und viele weitere, deren Nennung den Rahmen dieses Textes sprengen würde. Im Mittelpunkt standen natürlich die Schülerinnen und Schüler, die auch die musikalische Umrahmung mit Bläserklasse und Chor lieferten.

Mit Stolz zeigten diese Kinder den Ehrengästen, wie ihre Werke entstanden sind. Foto: Winfried Zang​

Trotz des Starts der Kunstgrundschule mitten in der Pandemie habe man die Projekte weitestgehend realisieren könnten, blickte der Schulleiter zurück und freute sich, dass die Kunstgrundschule ein weiteres Förderjahr bekommen wird. Nun habe man endlich einen Termin gefunden, um die während der Pandemie nicht mögliche Vernissage nachzuholen, sagte er. Ohne die große Unterstützung vieler Menschen, aber auch Sponsoren wie der Sparkasse und der RV-Bank wäre das Projekt nicht möglich, so Bieber dankbar.

In dieser von den Kindern verschönerten Mensa lässt es sich gut essen – fast meint man, man wäre mitten im Dschungel. Foto: Winfried Zang

Die Kunstgrundschule sei „etwas Einmaliges“, fand auch Erlenbachs Bürgermeister Christoph Becker, der das Projekt von Vorgänger Michael Berninger übernommen hatte und seit seinem ersten Tag im Amt unterstützt. Das Projekt beweise, dass Schule Spaß macht, fand er und stellte das Herzblut und die Leidenschaft heraus, mit der Kunstnetz-Leiterin Christiane Leuner und ihre Mitstreiterinnen die Kunst leben. Kunst sei etwas sehr Persönliches, befand Becker, sowohl für den Künstler und die Künstlerin selbst wie auch für die Betrachterinnen und Betrachter.

Landrat Jens Marco Scherf zeigte sich dankbar über so viele Unterstützer der Kunstgrundschule. Schule, so der Landrat, sei mehr als Lesen, Rechnen, Schreiben, Englisch und Demokratieerziehung. Kinder müssten andere Menschen wahrnehmen können, deren Empfindungen, Gefühle und Erwartungen. Der künstlerische Ausdruck stärke die Fähigkeit, sich selbst auszudrücken und in gleicher Weise schule er, sich mit dem Ausdruck anderer Menschen in Form von Kunst auseinanderzusetzen, also andere wahrzunehmen.

Sabine Eitel, Geschäftsführerin des Landesverbandes des Jugendkunstgrundschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen (LJKE), war schon beim Betreten des Schulgebäudes aufgefallen, wie kreativ die Schülerinnen und Schüler sind. Die expressiven Malereien an den Wänden hatte sie wahrgenommen und freute sich, dass die Kinder ihr Schulgebäude mitgestaltet hätten. Gerade in der gegenwärtigen Zeit brauche es kreativ denkende Menschen, stellte sie fest. Konrektorin Patricia Spilger trug Äußerungen von Kindern vor, aus denen hervorging, wie viel Spaß sie hatten, wie stolz sie auf ihre Werke sind und auch wie viel harte Arbeit hinter der Kunst steckt. An den bislang 20 Projekten hätten sich alle Klassenstufen von der ersten bis zur vierten beteiligt, jedes Projekt sei über mehrere Tage gelaufen. Sie bat die Besucherinnen und Besucher, sich beim Anschauen der Werke Fragen zu stellen – etwa welche Technik und welches Material verwendet wurde und wie die Bilder entstanden sind. Alle Kinder hätten viel gelernt, stellte sie fest: Ruhe, Ausdauer, Geduld und Genauigkeit. Es sei auch mutig, sich an eine große, leere Fläche heranzuwagen, erklärte Spilger. „Es war ein Genuss zu sehen, wie stolz die Kinder auf sich waren“, sagte sie und resümierte: „Alle Werke sind wunderschön.“ Und auch das Kollegium habe einen großen Teil dazu beigetragen, beispielsweise durch Lehrerfortbildungen. Als Dank für ihren Einsatz bedachten sie und Rektor Andreas Bieber die Kunstnetz-Damen mit Blumen.

Mit Blumen bedankten sich Konrektorin Patricia Spilger und Rektor Andreas Bieber bei den Künstlerinnen des Kunstnetzes für ihren Einsatz in den vergangenen drei Jahren. Foto: Winfried Zang​​​

Im Namen ihrer Kunstnetzkünstlerinnen Christine Hartlaub, Margarete Bernhard, Daniela Dölger und Margarete Sondel ließ Christiane Leuner, künstlerische Leiterin des Kunstnetzes, die vergangenen drei Jahre Revue passieren, in denen man etwa die Mensa selbst künstlerisch gestaltet habe. Seit dieser Zeit gingen die Kinder mit ihrem Umfeld viel sorgsamer um, hatte sie beobachtet und freute sich, dass kein Vandalismus zu verzeichnen sei. „Wir haben noch viele Räume und Wände, die wir gestalten können“, machte sie Appetit auf weitere Projekte. „Es ist einfach wunderbar, hier zu arbeiten“, sagte sie, „alle machen ganz toll mit.“ Die Kinder sprächen in Bildern miteinander, resümierte sie und wurde deutlich: „Es gibt nichts Besseres als die Kunstgrundschule.“

Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 4a („Wellen auf Leinwand“), 4b (Leben im Meer – Keramiken), 4c (Leben im Urwald – Weidentiere“) und 2d („Fische auf Leinwand“) zeigten anschließend einen Teil ihrer geschaffenen Werke und erläuterten, wie sie entstanden sind. „Wenn jemand uns fragt, ob wir nochmal mitmachen wollen, dann sagen wir sofort Ja“, trug eine Gruppe vor. Ein anderer Schüler bedauerte: „Die Zeit ging viel zu schnell vorbei.“ Bei der anschließenden Vernissage konnten die Gäste im Schulhaus herumgehen und Selbstportraits, Portraits, Tonfiguren und vieles mehr betrachten.

Auch diese beeindruckenden lebensgroßen geflochtenen Figuren wurden im Rahmen eines Projekts der Kunstgrundschule Erlenbach geschaffen. Foto: Winfried Zang

Hintergrund: Kunstgrundschule

In jedem bayerischen Regierungsbezirk gibt es seit 2015 eine Kunstgrundschule, die unter anderem vom Kulturministerium, dem LJKE Bayern, dem jeweiligen Bezirk und der Standortgemeinde gefördert wird. Dazu kommt im Fall von Erlenbach das Landratsamt Miltenberg mit dem Kunstnetz. In der Kunstgrundschule sollen sich Kinder von jungen Jahren an und über den Kunstunterricht hinaus aktiv und kreativ mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Das Kultusministerium sieht dies als wertvollen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, der ihre gesellschaftliche Teilhabe fördert. In den Kunstgrundschulen spielt die ästhetische Erziehung eine besondere Rolle. In fächerübergreifenden Projekten beschäftigen sich die Kinder beispielsweise mit Werken der Bildenden Kunst, erarbeiten ihre eigenen Kunstwerke und werden dabei von Künstlerinnen und Künstlern angeleitet – im Fall Erlenbachs vom Kunstnetz. Darüber hinaus werden für Lehrkräfte Fortbildungen angeboten. Die Schulen kooperieren mit den Jugendkunstschulen als außerschulischen Partnern der kulturellen Kinder- und Jugendbildungsarbeit. Neue Kunstgrundschulen werden nach ihrem bisherigen Engagement im ästhetisch-künstlerischen Bereich und bereits bestehenden Kooperationen mit Jugendkunstschulen und weiteren Institutionen ausgewählt. Nach der Kunstgrundschule Großheubach ist die Grundschule Erlenbach die zweite unterfränkische Kunstgrundschule aus dem Landkreis Miltenberg.

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