Ein digitales Gedächtnis für die Region

Seit Samstag, 25. Februar, ist mit dem Heimathub am bayerischen Untermain eine digitale Schnittstelle am Start, die quasi das Gedächtnis der Region darstellt, indem sie Beiträge von Bürgerinnen und Bürgern sammelt und diese öffentlich bereitstellt. In drei Ankerpunkten der Region wurde der Projektstart zur gleichen Zeit gefeiert – im Bildungs- und Informationszentrum Burglandschaft in Eschau, im Rathaus von Mömbris und im Digitalladen in Aschaffenburg.

Damit das Vorhaben erfolgreich ist, sind nun Bürgerinnen und Bürger gefragt, individuelle Zeugnisse und persönliche Erlebnisse der Regional- und Zeitgeschichte hochzuladen und mit anderen zu teilen. Das kann in Form von Dokumenten, Bildern, Audio- oder Videodateien erfolgen, die auf der Internetseite www.heimathub.de hochgeladen und der Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Mit einer Kommentarfunktion unter den Dokumenten können Nutzerinnen und Nutzer diese ergänzen – etwa, wenn es um unklare Örtlichkeiten oder Menschen auf Bildern geht. Auf diese Weise entsteht eine Onlineplattform zur regionalen Geschichte, die ständig wächst und ergänzt wird. Egal ob Ereignisse wie die Weltkriege, die Wiedervereinigung oder persönliche Erfahrungen, Berichte von Festen, Veränderungen von Stadt- und Landschaftsbildern – in diesem Archiv lebt die Geschichte wieder auf. Dabei müssen sich die Beiträge nicht ausschließlich auf lange zurückliegende Ereignisse konzentrieren – auch jüngere Geschichte wie etwa die Corona-Krise oder Ukraine-Krieg können aus persönlicher Perspektive dargestellt werden.

Landrat Jens Marco Scherf sprach in seinen Begrüßungsworten von „neuen Wegen, um individuelle Zeugnisse und persönliche Erlebnisse der Regional- und Zeitgeschichte zu erhalten, zu veröffentlichen und mit Interessierten zu teilen.“ Die neue digitale Vermittlungsplattform mache „Geschichte von allen für alle erlebbar.“ Die drei Ankerpunkte seien dabei Begegnungs- und Kreativräume, wo Vorträge und Workshops stattfinden. Scherf dankte allen Akteuren für die Leidenschaft, mit der sie das Projekt mit Leben erfüllen und forderte sie auf, so weiterzumachen. Es lohne sich, zeigte sich der Landrat überzeugt. Denn er, Scherf, habe die Erfahrung gemacht, dass das Interesse an der Heimatgeschichte ständig wächst. Das sei angesichts einer immer komplexer werdenden Welt wichtig für die regionale Identität. Der Heimathub biete eine enorme Chance, dieses Wissen zu verbreiten und auch jüngere Generationen für ihre Heimat zu interessieren, sagte er.
Eschaus Bürgermeister Gerhard Rüth sah das ebenso. Der Begriff Heimat sei lange Zeit eher belächelt und als rückständig bewertet worden. Nun aber zeige sich, dass dieser Begriff Dinge wie Geborgenheit, Sicherheit und Zusammenhalt zusammenfasst. Die Region zeichne sich durch eine herrliche Natur, tolle Menschen und High-Tech-Firmen aus, sie sei zudem eine „Region der Kooperation.“ Alle diese Vorzüge vereinten sich im Begriff Heimat, sagte er und zeigte sich stolz, dass Eschau ein Standort von drei Ankerpunkten des Projekts sei.

Der Historiker Jan H. Sachers erklärte den Gästen – darunter mehrere Vertreter*innen von Heimat- und Geschichtsvereinen – das Projekt, führte sie durch die Internetseite und zeigte, wie Beiträge eingestellt werden können. Hier würden Quellen gesammelt, die sonst stumm bleiben würden, sagte er und verwies etwa auf Nachlässe, die häufig weggeworfen würden, obwohl sie historisch wertvoll seien. Noch seien wenige Beiträge eingestellt, aber das werde sich hoffentlich schnell ändern, meinte er und zeigte, wie man anhand von Filtern nach Schlüsselbegriffen suchen kann. Er sicherte zu, etwa bei der Digitalisierung von Dokumenten oder Bildern behilflich zu sein. Hierfür seien Terminvereinbarungen unter Telefon 09374 97929-47, E-Mail: eschau@heimathub.de, sinnvoll, allerdings sei er auch jeweils mittwochs vor Ort im Bildungszentrum in der Elsavastraße 83 in Eschau persönlich erreichbar.

Mit großem Interesse verfolgten die Gäste einen halbstündigen Vortrag von Professor Dr. Christian Bunnenberg (Didaktik der Geschichte und Public History, Ruhr Universität Bochum), der gemeinsam mit einigen Mitstreiten das digitale "coronarchiv" aufgebaut hat, in dem Bürger*innen die Gegenwart für die Geschichtsschreibung der Zukunft dokumentieren. Unter https://coronarchiv.blogs.uni-hamburg.de/werden hier verschiedenste Beiträge zur Corona-Pandemie gesammelt. Im März 2020 war Bunnenberg aufgefallen, dass Geschichte immer aus der Retroperspektive gesehen wird. Das gelte es aufzubrechen, Material zu sammeln und auch späteren Generationen bereitzustellen, so seine Idee. Indem Bürger*innen aktuelle Beiträge liefern, würden auch Stimmen gesammelt, die unter normalen Umständen stumm blieben, sagte der online zugeschaltete Fachmann. Mittlerweile sei man das weltweit zweitgrößte Archiv dieser Art, in Deutschland sei man das größte. Viele Herausforderungen haben man bewältigen müssen, blickte er zurück und bezeichnete vor allem den Datenschutz als größtes Hindernis – aber auch das habe man gemeistert. Mittlerweile habe man über 6000 Beiträge gesammelt, davon seien 72 Prozent Bilder.

Fakten zum Projekt:
Die Stadt Aschaffenburg ist Träger und Förderer des Projektes, welches in der Kooperation mit den Vereinen Burglandschaft im Landkreis Miltenberg und Kulturlandschaft Kahlgrund im Landkreis Aschaffenburg umgesetzt wird. Gemäß der „Richtlinie zur Förderung von Heimatprojekten mit Schwerpunkt Digitalisierung, insbesondere zur Stärkung regionaler Identität in Bayern“ wurde das Projekt seitens der Regierung von Unterfranken bewilligt und wird durch Fördermittel des Freistaates Bayern größtenteils finanziert. Unterstützt wird das Projekt finanziell auch von den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg. Weitere Partner, wie der Spessartbund, das Archäologische Spessartprojekt, der Bezirk Unterfranken und die Universitäten Würzburg und Bochum sind im Projektbeirat vertreten.

Der Heimathub mache „Geschichte von allen für alle erlebbar“, sagte Landrat Jens Marco Scherf bei der Freischaltung der neuen Internetplattform. Foto: Winfried Zang
Der Historiker Jan H. Sachers führte die Gäste bei der Eröffnungsveranstaltung durch die Internetseite des Heimathubs und sicherte zu, jederzeit für Fragen zur Verfügung zu stehen und Hilfe zu leisten. Foto: Winfried Zang

Fakten zum Projekt:
Die Stadt Aschaffenburg ist Träger und Förderer des Projektes, welches in der Kooperation mit den Vereinen Burglandschaft im Landkreis Miltenberg und Kulturlandschaft Kahlgrund im Landkreis Aschaffenburg umgesetzt wird. Gemäß der „Richtlinie zur Förderung von Heimatprojekten mit Schwerpunkt Digitalisierung, insbesondere zur Stärkung regionaler Identität in Bayern“ wurde das Projekt seitens der Regierung von Unterfranken bewilligt und wird durch Fördermittel des Freistaates Bayern größtenteils finanziert. Unterstützt wird das Projekt finanziell auch von den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg. Weitere Partner, wie der Spessartbund, das Archäologische Spessartprojekt, der Bezirk Unterfranken und die Universitäten Würzburg und Bochum sind im Projektbeirat vertreten.

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