Abschusspläne zum größten Teil erfüllt
Bei der öffentlichen Hegeschau für den Südlandkreis Miltenberg haben die fünf Hegegemeinschaften am Freitag, 26. Mai, im voll besetzten Gasthaus „Zum Hirschen“ in Riedern auf Einladung der Unteren Jagdbehörde des Landratsamtes und der Kreisgruppe Miltenberg des Bayerischen Jagdverbandes das vergangene Jagdjahr Revue passieren lassen.
BJV-Kreisvorsitzender Ralph Keller nannte nach dem Auftakt durch Jagdhornbläser die Hegeschau ein wichtiges Instrument, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie sich die Wildbestände entwickeln und ob die Hegegemeinschaften ihrem Namen entsprechend auch die Hege des Wildes gewährleisten. Er bat die Jägerschaft auch darum, auf Nachtjagden zu verzichten.
Ein längeres Grußwort sprach Ernst Weidenbusch, Chef des bayerischen Jagdverbandes. Bei der Hegeschau gehe es ihm zufolge nicht nur um Schalenwildbestände, sondern auch um die Entwicklung der nicht streckenlistenpflichtigen Wildarten und die erfolgten Maßnahmen. Offensichtlich reichten die Äsungsflächen nicht aus, sonst würde kein zu hoher Verbiss moniert. Deshalb gelte es, nicht zuerst zu schießen, sondern die Äsungsflächen zu vergrößern. Zum Schutz des Wildes brachte Weidenbusch auch Betretungsverbote im Wald ins Gespräch.
Unter anderem kritisierte Weidenbusch auch die forstlichen Gutachten, die seiner Meinung nach nicht den wirklichen Stand des Verbisses wiedergeben, sondern „nach Bauchgefühl“ Abschussempfehlungen aussprächen.
Landrat Jens Marco Scherf dankte der Jägerschaft für die geleistete Arbeit. Für ihn leistet eine engagierte, zukunftsgerichtete Jagd in Zeiten des Klimawandels und der Notwendigkeit eines gesunden, widerstandsfähigen Waldes einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Waldumbaus. Die Streckenlisten zeigten, dass man mit den Anstrengungen der Jägerschaft zufrieden sein könne, so der Landrat. Für ihn ist klar, dass auch alle anderen Naturnutzer*innen gefragt und aufgefordert sind, Rücksicht zu nehmen. Denn es gelte, gemeinsam Verantwortung für den Wald zu übernehmen. „Miteinander statt Gegeneinander“, müsse es heißen. „Die vom Präsidenten geforderten Betretungsverbote im Wald halte ich nicht nur rechtlich schwer darstellbar und kaum umsetzbar; statt mit noch mehr Verboten brauchen wir das Verständnis und die Verantwortung der Menschen, sich im Wald rücksichtsvoll zu verhalten“, so Scherf. Gerade das im Landkreis Miltenberg entwickelte Konzept der kitzfreundlichen Gemeinden trage dazu bei, die Menschen stärker für die Bedürfnisse des Wildes zu sensibilisieren. Zudem sei dieses Projekt, bei dem heuer das Engagement in Kirchzell ausgezeichnet wurde, ein hervorragendes Beispiel der Kooperation von Waldbesitzer, Landwirte und Jäger. „Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen, wir müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen für das Wild und unseren Wald, gerade im waldreichsten Landkreis eine wichtige Aufgabe“, betonte Scherf. Die Jagdbehörde wisse das Einvernehmen und das konstruktive Miteinander sehr zu schätzen, führte er weiter aus. Es freute den Landrat, dass auch die Digitalisierung allmählich in der Jagd Einzug hält – etwa mit der digitalen Streckenerfassung, die mit ausgewählten Revierverantwortlichen gut funktioniert und für geübte Nutzer praxistauglich sei. Gemeinsam mit Reviereigentümern und dem Vermessungsamt arbeite man auch an digitalen Revierkarten. Scherf gab auch eine Veränderung an der Spitze des Sachgebiets Naturschutz, Jagd- und Fischereiwesen bekannt: Sabine Dobler-Stegmann wird am 1. August 2023 die Leitung von Regina Groll übernehmen, die in den Ruhestand geht. Er, Scherf, habe sich seit seinem Amtsbeginn als Landrat stets auf Groll verlassen können – auf ihre fachliche Expertise wie auf ihr menschliches Geschick im Agieren mit den Akteuren.
Regina Groll nutzte die Gelegenheit, sich bei allen am Jagdwesen Beteiligten zu bedanken, mit denen sie überwiegend vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. Gemeinsam habe man am Ziel gearbeitet, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Einen besonderen Dank richtete sie an die Jagdberater Horst Feyrer und Michael Huber sowie den ehemaligen Jagdberater Rudi Faber, mit denen sie stets hervorragend kooperiert habe.
Über die Situation des Waldes referierte der Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Wolfgang Grimm. Die zunehmende Trockenheit und die abnehmenden Wasservorräte im Boden erforderten den bereits in die Wege geleiteten Waldumbau, stellte er fest. Traditionsreiche Bäume wie Kiefer oder Fichte seien keine Bäume eines Zukunftswaldes. Der Fokus müsse nun darauf liegen, den Wald langfristig zu erhalten, was aber nur mit einer Vielfalt anderer Baumarten funktioniere – bevorzugt durch Naturverjüngung. Es gelte, Mischwälder zu etablieren, die den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden. Förster Ferdinand Hovens lud BJV-Präsident Weidenbusch ein, die Praxisanbauversuche auf drei Hektar Fläche in seinem Bereich in Augenschein zu nehmen. Unter anderem seien hier die Libanonzeder, die Atlaszeder und viele weitere Baumarten zu sehen. Welche Bäume die klimatischen Verhältnisse am besten überstehen, müsse sich noch weisen, sagte Hovens.
Jagdberater Michael Huber legte die Abschusszahlen des ersten von drei Jagdjahren vor. Beim Rehwild sei aufgefallen, dass nur wenige Böcke in der Altersklasse „mehrjährig“ erlegt worden seien. So seien im Jagdjahr 2022/23 2205 Stück Rehwild angefallen – 32 Prozent des Solls von 6.928 Stück, gerechnet auf den dreijährigen Jagdzeitraum. In den Hegegemeinschaften seien folgende Erfüllungsquoten angefallen: Dorfprozelten 36 Prozent, Eichenbühl 26 Prozent, Miltenberg 33 Prozent, Kleinheubach 32 Prozent und Kirchzell 32 Prozent. Huber dankte auch allen Kitzrettern für ihren Einsatz. Das zeige, dass sie den Tierschutz als Revierverantwortliche, als Mitjäger und als Freiwillige sehr ernst nehmen. Die Schwarzwildstrecke ist Huber zufolge zurückgegangen. Seiner Meinung nach ist vor allem in der Jugendklasse noch viel Luft nach oben. Die Bejagung sollte von unten nach oben erfolgen – also die schwächsten Tiere zuerst. 2022/23 wurden 1862 Stück gezählt, davon 1.819 erlegt, 35 verludert und acht verunfallt. Er bat die Jägerschaft, Schwarzwild mit bedenklichen Merkmalen mit möglichst reinem, sauberem Blut zu beproben.
Im Bereich des Rotwilds seien im Spessart 123 Stück erlegt worden (Soll: 189), im Odenwald 81 (Soll: 120), außerhalb des Rotwildgebiets Spessart waren es 19. An Muffelwild wurden 41 Stück erlegt (Soll: 29).
Beim Niederwild fallen vor allem die 139 erlegten Waschbären auf, laut Huber „nur die Spitze des Eisbergs.“ Er forderte die Jägerschaft auf, diese Tiere weiter zu bejagen, ebenso das Raubwild. Das Niederwild brauche die Jagd, stellte Huber klar und hoffte darauf, dass mehr Naturräume für das Niederwild geschaffen werden. Infolge von Wildunfällen seien im Jagdjahr 329 Tiere verendet, der größte Teil war Rehwild mit 268 Stück. Da die Bergung von verunfallten Tieren in der Nacht sehr gefährlich sei, berge man Tiere nachts nur, wenn die Bergung von der Polizei abgesichert werde, erklärte Huber.
Abschließend dankte er allen Revierverantwortlichen und deren Helfer*innen, die das Wild im vergangenen Jagdjahr mit Wasserfahrten durch ihre Reviere vorm Verdursten retteten. Sollte sich erneut eine Dürrephase einstellen, bat er alle Jagdreviereigentümer, die Jäger zu unterstützen. Geeignete Wasserstellen minderten nicht nur den Verbiss, sie seien auch ein Beitrag zum Überleben aller Tiere.